Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
erschienen jetzt im dichter werdenden Regen grau, und dunkle Wolken schlossen das Sonnenlicht aus. Was hatte er Eagan Padros gesagt?
»Ich bin der Sturm«, flüsterte er – für seine Ohren ein Schrei, ein Brüllen –, und er lenkte die Macht.
Die Wolken über ihm siedeten. Wo sie rußschwarz gewesen waren, wurden sie zur Mitternacht, zum Herzen der Mitternacht. Er wusste nicht, was er lenkte. Er wusste es trotz Asmodeans Unterweisung häufig nicht. Vielleicht führte Lews Therin ihn, obwohl er wimmerte. Stränge Saidins wirbelten über den Himmel, Wind und Wasser und Feuer. Feuer. Der Himmel regnete wahrhaftig Blitze. Einhundert Blitze gleichzeitig, Hunderte blau-weiß gespaltene Schäfte, die überall in Sichtweite abwärtsstachen. Die Hügel vor ihm brachen auf. Einige platzten unter dem Ansturm der Blitze auseinander wie zertretene Ameisenhaufen. Flammen sprangen in Dickichten auf, Bäume wurden im Regen zu Fackeln, und Flammen rasten durch Olivenhaine.
Etwas traf ihn schwer und er erkannte, dass er sich mühsam vom Boden aufrappelte. Die Krone war ihm vom Kopf gefallen. Callandor schimmerte jedoch noch immer in seiner Hand. Er war sich vage bewusst, dass auch Tai’daishar zitternd aufstand. Also wollten sie einen Gegenangriff auf ihn führen.
Er stieß Callandor hoch über den Kopf und schrie ihnen zu: »Greift mich an, wenn Ihr es wagt! Ich bin der Sturm! Kommt, wenn Ihr es wagt, Shai’tan! Ich bin der Wiedergeborene Drache!« Tausend zischende Lichtblitze hagelten aus den Wolken.
Etwas schleuderte ihn erneut zu Boden. Er versuchte, sich wieder aufzurappeln. Das noch immer schimmernde Callandor lag einen Schritt von seiner ausgestreckten Hand entfernt. Der Himmel wurde von Blitzen zerrissen. Plötzlich erkannte Rand, dass das auf ihm lastende Gewicht Bashere war und dass der Mann ihn schüttelte. Bashere musste ihn zu Boden geschleudert haben!
»Hört auf!«, schrie der Saldaeaner. Aus einem Riss an seinem Kopf lief fächerförmig Blut über sein Gesicht. »Ihr tötet uns, Mann! Hört auf!«
Rand wandte den Kopf, und ein benommener Blick genügte. Blitze flammten überall um ihn herum auf, in allen Richtungen. Ein Blitz traf auf dem rückwärtigen Hang auf, wo sich Denharad und die Waffenträger befanden. Schreie von Männern und Pferden ertönten. Anaiyella und Ailil versuchten vergebens, die sich mit wild rollenden Augen aufbäumenden Pferde zu beruhigen. Flinn beugte sich über jemanden, der nicht weit entfernt von einem toten Pferd mit bereits starren Beinen lag.
Rand ließ Saidin los. Er ließ es los, aber es floss noch einige Augenblicke in ihn, und Blitze wüteten weiterhin. Der Strom in ihm nahm ab, versiegte und schwand. Schwindel vereinnahmte ihn stattdessen. Drei weitere Herzschläge lang schimmerte Callandor auf dem Boden doppelt, und Blitze regneten herab. Dann herrschte bis auf das ansteigende Trommeln des Regens Stille. Und bis auf die Schreie von jenseits des Hügels.
Bashere löste sich langsam von ihm, und Rand stand taumelnd auf und blinzelte, als sich sein Sehvermögen wieder einstellte. Der Saldaeaner beobachtete ihn, wie er vielleicht auch einen tollwütigen Löwen beobachtet hätte, und betastete sein Schwertheft. Anaiyella warf einen Blick auf Rand und brach ohnmächtig zusammen. Ihr Pferd schoss mit schleifenden Zügeln davon. Ailil, die sich noch immer mit ihrem Pferd abmühte, gönnte Rand nur wenige Blicke. Rand beließ Callandor für den Moment an seinem Platz. Er war sich nicht sicher, dass er es aufzuheben wagte. Noch nicht.
Flinn richtete sich auf, schüttelte den Kopf und stand dann schweigend da, während Rand wankend hinter ihn trat. Der Regen fiel auf Jonan Adleys blicklose Augen, die sich entsetzt vorwölbten. Jonan war einer der Ersten gewesen. Jene Schreie von jenseits des Hügels schienen durch den Regen zu schneiden. Wie viele noch, fragte sich Rand. Unter den Verteidigern? Den Gefährten? Unter …?
Dichter Regen verbarg die Hügel, in denen das seanchanische Heer lag. Hatte er sie überhaupt getroffen, als er blind zugeschlagen hatte? Oder warteten sie mit all ihren Damane noch immer dort draußen? Warteten sie ab, wie viele seiner eigenen Leute er noch für sie töten würde?
»Stellt so viele Wachen auf, wie Ihr für nötig erachtet«, befahl er Bashere. Seine Stimme klang eisenhart. Einer der Ersten. Sein Herz war eisenhart. »Wenn Gregorin und die Übrigen zu uns stoßen, werden wir so schnell wie möglich dorthin reisen, wo die Karren warten.«
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