Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
stets von robustem Schuhwerk, aber sie hatte eine Schwäche für leichte Schuhe mit viel Stickerei. Nynaeve sah Caire finster an, die Arme verschränkt, die Hand, die das Angreal hielt, spielte mit dem über ihre rechte Schulter gezogenen Zopf, ganz starr, und doch brodelte in ihrem Inneren ein Mahlstrom von Gefühlen. Angst, Sorge, Vorahnung, Verärgerung, Wachsamkeit und Ungeduld vermischten sich, und durch all das hindurch und manchmal überlagernd drohten Wärmewellen und Hitzewogen zu entflammen. Nynaeve unterdrückte Letztere rasch, besonders die Hitze, aber sie kehrten stets zurück. Elayne glaubte, sie fast erkennen zu können, aber es war wie etwas, das man nur aus dem Augenwinkel sah und fort war, wenn man den Kopf wandte.
Überraschenderweise empfand auch Aviendha Angst, aber nur wenig und gut beherrscht, ansonsten aber war sie von Entschlossenheit erfüllt. Garenia und Kirstian, die sichtbar zitterten, waren reinem Entsetzen nahe in einem Maße, dass es verwunderte, dass sie die Quelle auch nur annähernd hatten umarmen können. Reanne war bis zum Überfluss von Eifer erfüllt, auch wenn sie ihre Röcke glättete. Und was die Atha’an Miere betraf … Selbst Tebreille strahlte wachsame Vorsicht aus, und Metarras und Rainyns umherschwirrende Blicke waren nicht nötig, um erkennen zu können, dass ihre Aufmerksamkeit Caire galt, die sie alle ungeduldig und herrisch beobachtete.
Elayne hatte sich Caire bis zuletzt aufgespart, und es überraschte sie nicht, dass sie vier Versuche – vier! – benötigte, um die Frau in den Zirkel einzubringen. Caire war ebenso unnachgiebig wie Nynaeve. Elayne hoffte verzweifelt, dass die Frau aufgrund ihrer Fähigkeiten und nicht aufgrund ihres Ranges ausgewählt worden war.
»Ich werde den Zirkel jetzt Euch übergeben«, belehrte sie die Windsucherin, als es schließlich vollbracht war. »Wenn Ihr Euch in Erinnerung ruft, was ich mit Nynaeve getan ha…« Die Worte blieben ihr jäh in der Kehle stecken, als ihr die Führung des Zirkels entrissen wurde, ein Gefühl, als hätte sie ein plötzlicher Windstoß durcheinandergebracht. Sie atmete heftig aus, und es klang fast wie Ausspeien. Nun, dann sollte es wohl so sein.
»Gut«, sagte Caire und rieb sich die Hände. »Gut.« Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Schale und wandte den Kopf hierhin und dorthin, während sie das Artefakt betrachtete. Nun, vielleicht nicht ihre ganze Aufmerksamkeit. Reanne wollte sich gerade hinsetzen, als Caire ohne aufzublicken fauchte: »Behaltet Euren Platz bei, Frau! Dies ist kein Spaß! Bleibt stehen, bis man Euch befiehlt, Euch zu rühren!«
Reanne sprang bestürzt wieder auf und murrte leise, aber Caire schenkte ihr keinerlei Beachtung mehr. Der Blick der Windsucherin blieb auf die flache Kristallform gerichtet. Elayne spürte ausreichend große Entschlossenheit, einen Berg zu versetzen. Und noch etwas anderes, schwach und rasch wieder unterdrückt. Unsicherheit. Unsicherheit? Wenn die Frau nach alledem in Wahrheit nicht wusste, was zu tun war …
In diesem Moment streckte sich Caire weit aus. Saidar durchströmte Elayne, fast so viel, wie sie festhalten konnte. Ein ungebrochener Lichtring sprang auf, schloss sich den Frauen im Kreis an, wurde heller, wann immer eine der Frauen ein Angreal benutzte, war aber auch ohne diese niemals schwach. Sie beobachtete genau, wie Caire die Macht lenkte, ein kompliziertes Gewebe aus allen fünf Mächten gestaltet, ein vierflammiger Stern, den sie mit, wie Elayne anerkennend bemerkte, großartiger Präzision auf die Schale legte. Der Stern berührte die Schale, und Elayne keuchte. Sie hatte einst mit der Macht ein Rinnsal in die Schale gelenkt – in Tel’aran’rhiod , um sich zu vergewissern, und nur in ein Spiegelbild der Schale, obwohl das noch immer gefährlich war –, und dieses klare Kristall war hellblau geworden, und die eingearbeiteten Wolken hatten sich bewegt. Jetzt war die Schale der Winde tiefblau, das strahlende Blau eines Sommerhimmels, und weiche, weiße Wolken wogten darüber.
Der vierflammige Stern wurde fünfflammig, die Zusammensetzung des Gewebes veränderte sich leicht, und die Schale war jetzt ein grünes Meer mit hoch aufsteigenden Wogen. Der fünfflammige Stern wurde sechsflammig, und es war ein anderer Himmel zu sehen, ein anderes Blau, dunkler, vielleicht wie im Winter, mit vor Regen oder Schnee schweren purpurfarbenen Wolken. Der sechsflammige Stern wurde siebenflammig, und ein graugrünes Meer tobte im Sturm.
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