Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
sich das Bett nicht mit einer oder zwei Frauen teilen, außerdem hatte es ihr ein Wohnzimmer eingebracht. Es war nicht groß, aber es war ihr immer gemütlich erschienen, mit einem schönen Kamin und einem kleinen Tisch mit vier Stühlen. Genau das, was sie und Lan gebraucht hatten. Ihre Hoffnungen auf ungestörte Zweisamkeit erhielten jedoch im Moment ihres Eintretens einen Dämpfer. Die Haushofmeisterin erwartete sie bereits; sie stand genau in der Mitte des geblümten Teppichs, so imposant wie eine Königin, so makellos in ihrem Erscheinungsbild, als hätte sie sich gerade eben erst angekleidet, und nicht im Mindesten erfreut. Und in der Zimmerecke stand ein schlecht gekleideter, massiger Bursche mit einer schrecklichen Warze auf der Nase und einer Ledertasche, die schwer von seiner Schulter hing.
»Dieser Mann behauptet, er hätte etwas, das Ihr dringend erwartet«, sagte Frau Harfor nach den üblichen Floskeln. Sie erfüllten alle nötigen Gebote der Höflichkeit, waren aber sehr knapp; mit Ausnahme von Elayne verschwendete sie sie an niemanden. Sie klang, als würde sie von Nynaeve genauso wenig halten wie von dem Kerl mit der Warze. »Ich will Euch nicht verhehlen, dass mir sein Aussehen nicht gefällt.«
Nynaeve war so müde, dass es ihr beinahe unmöglich war, die Quelle zu umarmen, aber angetrieben von Gedanken an Attentäter und das Licht, schaffte sie es im Handumdrehen. Lan musste eine Veränderung in ihrer Miene bemerkt haben, denn er machte einen Schritt auf den Burschen mit der Warze zu; er griff nicht nach seinem Schwert, aber plötzlich schien seine ganze Haltung zu verkünden, dass die Klinge bereits gezogen war. Nynaeve vermochte nicht zu sagen, wie es ihm manchmal gelang, ihre Gedanken zu lesen, da der Behüterbund ihn doch mit einer anderen verband, aber es freute sie. Es war ihr gelungen, Talaan als Ebenbürtige gegenüberzutreten – zumindest, was die Stärke betraf! –, aber sie war nicht davon überzeugt, im Augenblick genug von der Macht lenken zu können, um einen Stuhl umzuwerfen. »Ich erwarte gar …«, setzte sie an.
»Entschuldigt, Herrin«, murmelte der massige Bursche hastig und zerrte an seiner Haarlocke. »Frau Tahne sagte, Ihr wolltet mich auf der Stelle sehen. Frauenkreisangelegenheiten, sagte sie. Etwas wegen Cenn Buie.«
Nynaeve riss sich zusammen, und einen Augenblick später fiel ihr ein, den Mund wieder zuzumachen. »Ja«, sagte sie langsam und starrte den Fremden an. Es fiel schwer, außer der scheußlichen Warze etwas von ihm zu sehen, aber sie war fest davon überzeugt, ihm nie zuvor im Leben begegnet zu sein. Angelegenheiten des Frauenkreises. Man würde keinem Mann erlauben, davon auch nur einen Hauch mitzubekommen. Das war geheim. Sie hielt trotzdem an Saidar fest. »Ich … erinnere mich. Danke, Frau Harfor. Ich bin sicher, Ihr habt viel zu erledigen.«
Die Haushofmeisterin schien den Wink nicht verstehen zu wollen, zögernd starrte sie Nynaeve misstrauisch an. Das Stirnrunzeln nahm den massigen Fremden zum Ziel, richtete sich dann auf Lan und verschwand. Sie nickte gedankenverloren, als würde seine Anwesenheit den entscheidenden Unterschied bedeuten! »Dann lasse ich Euch jetzt allein. Ich bin sicher, Lord Lan kommt mit diesem Burschen zurecht.«
Nynaeve unterdrückte ihre Empörung, wartete aber kaum ab, dass sich die Tür geschlossen hatte, bevor sie zu dem Fremden mit der Warze herumfuhr. »Wer seid Ihr?«, wollte sie wissen. »Woher kennt Ihr diese Namen? Ihr kommt nicht von den Zwei …«
Der Mann … flackerte. Es gab keine andere Bezeichnung dafür. Er flackerte und wuchs in die Höhe, und plötzlich war er Rand, der das Gesicht verzog und mühsam schluckte, der diese einfache Wollkleidung trug und auf dessen Handrücken diese schrecklichen Köpfe in Rot und Gold funkelten und der eine Ledertasche an der Schulter trug. Wo hatte er das gelernt? Wer hatte es ihm beigebracht? Nynaeve widerstand der Versuchung, sich nur einen kurzen Augenblick lang zu tarnen, nur um ihm zu zeigen, dass auch sie diese Kunst beherrschte.
»Ich sehe, du hast deinen eigenen Rat nicht befolgt«, sagte Rand zu Lan, als wäre sie nicht da. »Aber warum duldest du es, dass sie sich als Aes Sedai ausgibt? Selbst wenn es die echten Aes Sedai zulassen, könnte sie sich damit schaden.«
»Weil sie eine Aes Sedai ist, Schafhirte«, erwiderte Lan ruhig. Er sah sie auch nicht an! Und schien noch immer bereit zu sein, blitzschnell sein Schwert zu ziehen. »Was das andere angeht
Weitere Kostenlose Bücher