Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
sie ihre Leibwächterinnen und nicht Birgittes. Nur dass sie Birgitte nicht raushalten würden, wenn sie den Bund zu früh verhüllte.
Elayne begriff, dass sie zögerte. Der Mann, von dem sie jede Nacht träumte, war auf der anderen Seite der Tür, und sie stand hier wie ein Schulmädchen. Sie hatte so lange gewartet und so viel gewollt und jetzt hatte sie beinahe Angst. Sie würde hier nicht scheitern. Mit einer bewussten Anstrengung riss sie sich zusammen.
»Seid ihr bereit?« Ihre Stimme war nicht so fest, wie sie es sich gewünscht hätte, aber wenigstens zitterte sie nicht. In ihrem Bauch tanzten Schmetterlinge von der Größe von Füchsen. Das war schon lange nicht mehr geschehen.
»Natürlich«, sagte Aviendha, aber sie musste vorher schlucken.
»Ich bin so weit«, sagte Min leise.
Sie traten ohne anzuklopfen ein und schlossen die Tür schnell hinter sich.
Nynaeve sprang mit weit aufgerissenen Augen auf, bevor sie das Wohnzimmer richtig betreten hatten, aber Elayne bemerkte weder sie noch Lan richtig, obwohl der süße Duft der Pfeife des Behüters den Raum füllte. Rand war leibhaftig da; irgendwie war es ihr schwergefallen, es tatsächlich glauben zu können. Die schreckliche Verkleidung, die Min beschrieben hatte, war abgesehen von der schäbigen Kleidung und den primitiven Handschuhen verschwunden und er war … wunderschön.
Auch er sprang bei ihrem Anblick vom Stuhl hoch, aber bevor er richtig stand, taumelte er, griff mit beiden Händen nach dem Tisch und würgte mehrmals. Elayne umarmte die Quelle und trat einen Schritt auf ihn zu, dann blieb sie stehen und überwand sich, die Macht wieder loszulassen. Ihre Fähigkeiten auf dem Gebiet des Heilens waren minimal, außerdem hatte Nynaeve genauso schnell reagiert wie sie. Plötzlich umgab sie der Schein Saidars und sie streckte beide Hände nach Rand aus.
Er wich vor ihr zurück und winkte ab. »Das ist nichts, was du Heilen könntest, Nynaeve«, sagte er grob. »Aber wie dem auch sei, es sieht so aus, als würdest du deinen Willen bekommen.« Sein Gesicht war eine starre Maske, die jegliche Gefühle verbarg, aber Elayne hatte den Eindruck, dass seine Augen sie förmlich auffraßen. Und Aviendha auch. Sie war überrascht, als sie feststellte, dass es sie froh stimmte. Sie hatte gehofft, dass es so sein würde, hatte gehofft, es würde ihr um ihrer Schwester willen gelingen, und jetzt erwies sich jede Bemühung als unnötig. Es kostete ihn eine sichtliche Anstrengung, sich aufrecht hinzustellen, ebenso wie den Blick von ihr und Aviendha zu lösen, allerdings versuchte er, beides zu verbergen. »Min, wir müssten schon längst wieder weg sein«, sagte er.
Elayne blieb der Mund offen stehen. »Hast du geglaubt, du könntest einfach wieder gehen, ohne mit mir, mit uns zu sprechen?«, stieß sie mühsam hervor.
»Männer!«, sagten Min und Aviendha beinahe zugleich und warfen einander überraschte Blicke zu. Hastig nahmen sie die verschränkten Arme runter. Obwohl sie sich in fast jeder Hinsicht voneinander unterschieden, waren sie einen Augenblick lang beinahe Spiegelbilder weiblicher Verachtung gewesen.
»Die Männer, die mich in Cairhien töten wollten, würden diesen Palast in einen Schlackehaufen verwandeln, wenn sie wüssten, dass ich hier bin«, sagte Rand ruhig. »Vielleicht auch schon, wenn sie nur den Verdacht hätten. Ich nehme an, Min hat euch gesagt, dass es Asha’man waren. Vertraut keinem von ihnen. Dreien vielleicht ausgenommen. Damer Flinn, Jahar Narishma und Eben Hopwil. Ihnen könnt ihr möglicherweise vertrauen. Was den Rest angeht …« Er ballte die behandschuhten Fäuste, scheinbar ohne dass es ihm bewusst war. »Manchmal wendet sich das Schwert in der Hand gegen einen selbst, aber ich brauche dieses Schwert. Haltet euch von jedem Mann in einem schwarzen Mantel fern. Hört zu, jetzt ist nicht die Zeit für eine Unterhaltung. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe.« Sie hatte sich geirrt. Er war nicht genau so, wie sie von ihm geträumt hatte. Manchmal war in ihm eine gewisse Jungenhaftigkeit gewesen, aber die war verschwunden, als hätte man sie ausgebrannt. Sie trauerte seinetwegen darum, denn sie glaubte nicht, dass er es tat – oder dazu imstande war.
»In einer Sache hat er recht«, sagte Lan um seinen Pfeifenstiel herum im gleichen ruhigen Tonfall. Noch ein Mann, der nie ein Junge gewesen zu sein schien. Die Augen unter dem geflochtenen Lederband, das seine Brauen umgab, waren wie blaues Eis. »Jeder in seiner Nähe ist
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