Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
ertragen, so von ihnen angestarrt zu werden.
»Du siehst immer noch gut aus, Rand«, sagte sie sanft.
»Ha!«, machte Min. »Dieses Gesicht würde eine Ziege in Ohnmacht fallen lassen!« Nun, das würde es tatsächlich, aber sie hätte es nicht zu sagen brauchen.
Aviendha lachte. »Min Farshaw, du hast Sinn für Humor. Dieses Gesicht würde eine ganze Ziegenherde in Ohnmacht fallen lassen.« Oh, beim Licht, das würde es tatsächlich! Elayne konnte gerade noch rechtzeitig ein Kichern unterdrücken.
»Ich bin, wer ich bin«, sagte Rand und stemmte sich aus dem Stuhl hoch. »Ihr könnt es bloß nicht sehen.«
Als die stämmige Deni Rand das erste Mal in seiner Verkleidung erblickte, erstarrte das Lächeln auf ihrem Gesicht. Caseille blieb der Mund offen stehen. So viel zu dem geheimen Stelldichein mit einem Liebhaber, dachte Elayne und kicherte in Gedanken. Sie war fest davon überzeugt, dass er genauso viele Blicke wie die Gardistinnen auf sich zog, während er mit mürrischer Miene zwischen ihnen herschlurfte. Auf jeden Fall würde niemand einen Verdacht hegen, wer er wirklich war. Die Dienerschaft in den Korridoren würde vermutlich glauben, dass man ihn wegen irgendeines Verbrechens festgenommen hatte. Auf jeden Fall sah er aus wie ein Verbrecher. Caseille und Deni behielten ihn so scharf im Auge, als würden sie diese Meinung teilen.
Als den Gardistinnen klar wurde, dass sie vor Elaynes Gemächern warten sollten, während er die drei Frauen hineinbegleitete, hätten sie beinahe den Befehl verweigert. Plötzlich erschien Rands Verkleidung nicht länger lustig. Caseilles Lippen zogen sich zu einem dünnen Strich zusammen und Denis breites Gesicht erstarrte zu sturem Unbehagen. Um ein Haar hätte Elayne ihnen den Großen Schlangenring unter die Nasen halten müssen, bevor sie stirnrunzelnd neben der Tür ihre Position einnahmen. Sie drückte die Tür leise ins Schloss und versperrte den Blick auf ihre mürrischen Mienen, dabei hätte sie sie am liebsten zugeknallt. Licht, der Mann hätte auch eine etwas weniger anstößige Gestalt als Tarnung auswählen können.
Und was ihn anging, er begab sich schnurstracks zu dem Tisch mit den Intarsien und lehnte sich dagegen, während die Luft um ihn herum schimmerte und er wieder er selbst wurde. Die Drachenschädel auf seinen Handrücken schimmerten scharlachrot und golden metallisch. »Ich brauche etwas zu trinken«, murmelte er mit belegter Stimme und erspähte einen hochhalsigen Silberkrug auf dem langen Beistelltisch an der Wand.
Er ging auf unsicheren Beinen darauf zu – wobei er noch immer jeden Blick auf Elayne, Min oder Aviendha vermied –, und goss einen Silberbecher voll, den er mit einem großen Schluck bis zur Hälfte leerte. Der gewürzte Wein war dort stehen geblieben, als man das Frühstück abgeräumt hatte. Mittlerweile musste er eiskalt sein. Elayne hatte nicht erwartet, so bald in ihre Gemächer zurückzukehren, und das Feuer im Kamin glomm nur noch unter der Asche. Aber soweit sie sehen konnte, machte er keinerlei Anstalten, den Wein mithilfe der Macht zu erwärmen. Sie hätte zumindest den aufsteigenden Dampf gesehen. Und warum war er zu dem Wein gegangen, statt ihn mit der Macht zu holen? Sonst hatte er doch immer Weinbecher und Lampen durch die Luft schweben lassen.
»Geht es dir gut, Rand?«, fragte sie. »Ich meine, bist du krank?« Bei dem Gedanken daran, welche Krankheit ihm möglicherweise zusetzte, verkrampfte sich ihr Magen. »Nynaeve kann …«
»Mir geht es so gut, wie es geht«, erwiderte er tonlos. Noch immer mit dem Rücken zu ihnen. Er leerte den Becher und füllte ihn nach. »Also, was wollt ihr mir sagen, das Nynaeve nicht mitbekommen soll?«
Elayne wechselte einen überraschten Blick mit Min und Aviendha. Wenn er ihre Ausrede durchschaut hatte, dann hatte es Nynaeve erst recht. Warum hatte sie sie gehen lassen? Aviendha schüttelte überrascht den Kopf. Min schüttelte ihn ebenfalls, aber mit einem Grinsen, das besagte, dass man gelegentlich mit so etwas rechnen musste. Elayne verspürte einen kleinen Stich der … nein, es war keine Eifersucht, für sie drei kam Eifersucht nicht infrage. Es war vielmehr Wut darüber, dass Min so viel Zeit mit ihm verbracht hatte und sie nicht. Nun, wenn er Überraschungen haben wollte …
»Wir wollen den Behüterbund mit dir eingehen«, erklärte sie und strich die Röcke glatt, während sie Platz nahm. Min setzte sich auf die Tischkante und ließ die Beine baumeln, und Aviendha setzte
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