Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
»Bezweifelt ihr, dass meine Schwester mit einem einzigen Mann fertig werden kann? Sie ist Aes Sedai und hat das Herz einer Löwin. Und ihr habt einen Eid geschworen, ihr zu folgen! Ihr folgt ihr, wohin sie euch führt, und steckt nicht eure Nasen in ihren Ärmel.«
Die Gardistinnen tauschten einen langen Blick aus. Die massigere Frau zuckte mit den Schultern. Die Drahtige schnitt eine Grimasse, aber sie nahm die Hand von dem Türknauf. »Ich habe den Eid geschworen, dieses Mädchen zu beschützen«, sagte sie mit harter Stimme, »und das werde ich auch tun. Und jetzt geht ihr Mädchen mit euren Puppen spielen und lasst mich meine Arbeit tun.«
Min überlegte, ein Messer zu ziehen und es auf diese angeberische Art über die Finger rollen zu lassen, die ihr Thom Merrilin beigebracht hatte. Nur um ihr zu zeigen, wer hier das Kind war. Die schlanke Frau war nicht jung, aber in ihrem Haar war keine graue Strähne zu entdecken, und sie sah ziemlich kräftig aus. Und schnell. Min hätte gern geglaubt, dass einiges von der Masse der anderen Frau Fett war, aber sie wusste es besser. Sie konnte bei keiner von ihnen Bilder oder Auren sehen, aber die beiden sahen nicht im Mindesten so aus, als fürchteten sie sich davor, das zu tun, was sie für nötig hielten. Nun, wenigstens ließen sie Elayne und Rand allein. Vielleicht war das Messer doch unnötig.
Aus dem Augenwinkel sah sie, dass die Aiel zögernd die Hand vom Gürtelmesser nahm. Wenn die Frau nicht bald aufhörte, ihr alles wie ein Spiegelbild nachzumachen, würde sie doch noch glauben, dass mehr an diesem Hokuspokus mit der Macht war, als man ihr gesagt hatte. Andererseits hatte es schon vor dem Hokuspokus angefangen. Vielleicht dachten sie ja alle gleich? Eine schreckliche Vorstellung. Licht, dieses ganze Gerede, dass er sie alle drei heiratete, war ja schön und gut, solange es Gerede war, aber wen würde er nun tatsächlich heiraten?
»Elayne ist mutig«, sagte sie zu der Leibwache. »So mutig wie alle anderen, die ich kennengelernt habe. Und sie ist nicht dumm. Wenn ihr das glaubt, werdet ihr bald Ärger mit ihr haben.« Sie starrten aus der vorteilhaften Position der fünfzehn oder zwanzig Jahre Altersunterschied zwischen ihnen auf sie herunter, ungerührt und entschlossen. Gleich würden sie ihr erneut befehlen, sich endlich aus dem Staub zu machen. »Nun, wir können hier nicht rumstehen, wenn wir uns unterhalten wollen, nicht wahr, Aviendha?«
»Nein«, sagte die Aiel angespannt und starrte die Gardistinnen finster an. »Wir können hier nicht rumstehen.«
Die Leibwächterinnen nahmen keine Notiz von ihnen, als sie gingen. Sie hatten einen Auftrag zu erledigen, und es ging nicht darum, Elaynes Freundinnen nachzusehen. Min hoffte, dass sie ihre Arbeit gut erledigten. Sie ist überhaupt nicht dumm, dachte sie. Sie lässt nur manchmal zu, dass ihr Mut den Weg vorgibt. Hoffentlich würden sie Elayne nicht in ein Dornengestrüpp gehen lassen, aus dem sie nicht wieder herausgelangte.
Auf dem Weg durch den Korridor musterte sie die Aiel-Frau verstohlen. Aviendha ging so weit von ihr entfernt, wie das im selben Gang möglich war. Sie sah nicht einmal in Mins Richtung, sondern zog ein reich verziertes Elfenbeinarmband aus der Gürteltasche und schob es mit einem selbstzufriedenen Lächeln über die linke Hand. Sie hatte von Anfang an die Nase gerümpft. Min verstand es einfach nicht. Angeblich waren es die Aiel gewohnt, sich einen Mann zu teilen. Jedenfalls eher, als sie es war. Sie liebte ihn so sehr, dass sie bereit war, ihn zu teilen, und wenn sie es schon musste, gab es auf der ganzen Welt keine Person, mit der sie ihn lieber geteilt hätte als mit Elayne. Bei ihr war es fast so, als würden sie ihn überhaupt nicht teilen. Aber diese Aiel-Frau war eine Fremde. Elayne hatte gesagt, es sei wichtig, dass sie einander kennenlernten, aber wie sollte das gehen, wenn die Frau nicht mit ihr reden wollte?
Allerdings verschwendete sie nicht viel Zeit damit, sich Sorgen um Elayne oder Aviendha zu machen. Dafür war das, was sich in ihrem Kopf abspielte, viel zu wunderbar. Rand. Eine kleine Kugel, die ihr alles über ihn verriet. Sie war davon überzeugt gewesen, dass die Sache nicht klappen würde, zumindest nicht bei ihr. Wie würde es wohl sein, wenn sie sich das nächste Mal liebten, wenn sie alles erfuhr! Licht! Natürlich würde er auch alles über sie wissen. Sie konnte nicht sagen, was sie davon halten sollte!
Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass das Bündel
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