Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
gleichen Absicht.
Sobald er einige der an dem Wagen befestigten Stufen hinkend hinuntergestiegen war, schlug er die Tür zu. Der nachmittägliche Himmel sah genauso aus wie am Morgen, grau und stürmisch und voll mürrischer Wolken. Ein scharfer Wind wehte launenhaft. Altara kannte keinen echten Winter, aber das, was es hatte, reichte auch so aus. Statt Schnee gab es Eisregen und Stürme, die vom Meer heranbrausten, und zwischenzeitlich war es feucht genug, um die Kälte noch schlimmer erscheinen zu lassen. Der Boden unter den Stiefeln fühlte sich selbst dann matschig an, wenn er trocken war. Mit gerunzelter Stirn humpelte Mat von dem Wagen fort.
Frauen! Aber Aludra war hübsch. Und sie wusste, wie man Feuerwerk herstellte. Ein Glockengießer? Vielleicht konnte er ja zwei kurze Tage daraus machen. Solange Aludra nicht anfing, ihn zu jagen. In letzter Zeit schienen das eine Menge Frauen zu tun. Hatte Tylin ihn irgendwie verändert, sodass Frauen ihn auf dieselbe Weise wie sie verfolgten? Nein. Das war lächerlich. Der Wind packte seinen Umhang und ließ ihn hinter sich herflattern, aber er war zu sehr in Gedanken versunken, um ihn wieder zu bändigen. Zwei schlanke Frauen – vermutlich Akrobatinnen – lächelten ihn im Vorbeigehen verstohlen an und er lächelte zurück und machte seinen besten Kratzfuß. Tylin hatte ihn nicht verändert. Er war noch immer derselbe Mann, der er immer gewesen war.
Lucas Schauspieltruppe war fünfzigmal größer, als Thom behauptet hatte, vielleicht sogar noch größer, ein sich ausbreitendes Durcheinander aus Zelten und Wagen mit der Fläche eines Dorfes. Trotz des Wetters übten eine Reihe von Darstellern im Freien. Eine Frau in einer locker fallenden weißen Bluse und Hosen, die mindestens so eng wie die seinen waren, schwang an einem durchhängenden, zwischen zwei hohen Pfosten befestigten Seil auf und ab, dann warf sie sich nach vorn und schaffte es irgendwie, das Seil mit den Füßen zu umklammern, bevor sie zu Boden stürzte. Sie krümmte sich zusammen, um das Seil mit den Händen zu ergreifen, zog sich zurück auf ihren Sitz und fing von vorn an. Nicht weit von ihr stand ein Mann mit entblößter Brust, der drei funkelnde Bälle über Arme und Schultern rollen ließ, ohne sie mit den Händen zu berühren. Das war interessant. Das hätte Mat vielleicht auch noch geschafft. Wenigstens würden diese Bälle einem keine Glieder brechen und bluten lassen. Davon hatte er sein Leben lang genug.
Was ihm jedoch vor allem ins Auge stach, waren die Pferdeseile. Lange Pferdeseile, hinter denen zwei Dutzend gegen die Kälte dick vermummte Männer Dung auf Schubladen schaufelten. Hunderte von Pferden. Angeblich hatte Luca ein paar seanchanischen Tierbändigern Unterschlupf gewährt, und seine Belohnung war eine von der Hochlady Suroth persönlich unterzeichnete Vollmacht, die ihm erlaubte, seine Pferde zu behalten. Mats Pips war in Sicherheit, vor der von Suroth angeordneten Lotterie gerettet, weil er in den Ställen des Tarasin-Palasts stand, aber es war ihm unmöglich, den Wallach dort herauszuholen. Tylin hatte ihn so gut wie angeleint, und sie hatte nicht vor, ihn in absehbarer Zukunft wieder gehen zu lassen.
Er wandte sich ab und dachte darüber nach, Vanin ein paar der Zirkuspferde stehlen zu lassen, falls die Gespräche mit Luca scheitern sollten. Nach dem zu urteilen, was Mat über Vanin in Erfahrung gebracht hatte, musste das für den seltsamen Mann so etwas wie ein Abendspaziergang sein. So fett Vanin auch war, konnte er jedes Pferd stehlen und reiten. Unglücklicherweise glaubte Mat nicht, länger als eine Meile im Sattel sitzen zu können. Trotzdem, das war etwas, worüber sich nachzudenken lohnte. Langsam wurde er verzweifelt.
Er hinkte weiter, betrachtete Sprungartisten und Jongleure und Akrobaten beim Training und fragte sich, wie es überhaupt so weit hatte kommen können. Blut und Asche! Er war ein Ta’veren! Er sollte die um sich herum befindliche Welt formen! Aber stattdessen saß er in Ebou Dar fest, war Tylins Schoßtier und Spielzeug – die Frau hatte ihn nicht einmal richtig genesen lassen, bevor sie auf ihn gesprungen war wie eine Ente auf einen Käfer! –, während es sich alle anderen gut gehen ließen. Vermutlich herrschte Nynaeve über jeden in Sichtweite, während diese Kusinen ihr voller Ehrfurcht folgten. Sobald Egwene erkannt hatte, dass diese völlig verrückten Aes Sedai, die sie zur Amyrlin ernannt hatten, es in Wahrheit gar nicht so meinten,
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