Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
noch immer, Taims Blicke zu spüren. Sie hielt das schwere Tuch fest umklammert, ihr Instinkt befahl ihr, aus dem Raum zu eilen, aber stattdessen richtete sie sich auf und drehte sich langsam um. Sie würde nicht von Schande erfüllt flüchten.
Die Männer, die mit Taim gekommen waren, standen steif da, die Gesichter zur Tür gewandt, während Taim selbst mit vor der Brust verschränkten Armen auf den Kamin starrte. Seine Blicke waren also nur Einbildung gewesen. Die anderen Frauen schauten sie mit Variationen von Neugier, Bestürzung und Entsetzen an. Nadere schien lediglich ungeduldig zu sein.
Elayne versuchte, in ihrem majestätischsten Tonfall zu sprechen. »Frau Harfor, Ihr werdet Meister Taim und seinen Männern Wein anbieten, bevor sie gehen.« Nun ja, wenigstens zitterte sie nicht. »Dyelin, bitte unterhaltet doch die Herrin der Wogen und die Windsucherin, versucht doch, ihre Befürchtungen zu zerstreuen. Birgitte, ich erwarte, heute Abend deine Pläne für die Rekrutierung zu hören.« Die Frauen, die sie benannte, blinzelten überrascht und nickten dann wortlos.
Dann verließ sie, gefolgt von Nadere, den Raum und wünschte sich, sie hätte es besser hinbekommen. Das Letzte, was sie hörte, bevor sich die Flügeltüren hinter ihr schlossen, war Zaidas Stimme. »Ihr Küstenmenschen habt seltsame Bräuche.«
Im Korridor versuchte sie etwas schneller zu gehen, obwohl es nicht einfach war, gleichzeitig zu verhindern, dass der Umhang aufklaffte. Die roten und weißen Bodenfliesen waren viel kälter als die Teppiche in dem Raum. Ein paar Diener, die behaglich warme Livreen trugen, starrten sie an, als sie sie sahen, dann gingen sie wieder eilig ihren Pflichten nach. Die Flammen in den Kandelabern flackerten; in den Korridoren war es immer zugig. Gelegentlich war der Luftstrom so stark, dass ein Wandbehang träge flatterte.
»Das war Absicht, nicht wahr?«, stellte sie fest. »Ihr wolltet auf jeden Fall sicherstellen, dass viele Leute zum Zusehen da waren. Um sicherzugehen, dass die Verbindung mit Aviendha auch wichtig für mich ist.« Man hatte ihnen gesagt, dass es wichtiger als alles andere sein musste. »Was musste sie tun?« Manchmal hatte es den Anschein, als würde Aviendha keinen besonderen Wert auf Sittsamkeit legen, in ihren Gemächern ging sie oft völlig unbekümmert nackt umher und bemerkte es nicht einmal, wenn Diener eintraten. Sie dazu zu bringen, sich vor Leuten auszuziehen, hätte nichts bewiesen.
»Das muss sie Euch sagen, falls sie es will«, sagte Nadere selbstgefällig. »Ihr seid scharfsinnig genug, um dies zu erkennen; viele tun das nicht.« Ihr mächtiger Busen hob sich, als sie einen Laut von sich gab, der möglicherweise so etwas wie ein Lachen sein sollte. »Diese Männer, die Euch den Rücken zudrehten, und diese Frauen, die Euch beschützen. Ich hätte dem sofort ein Ende bereitet, hätte der Mann in dem bestickten Mantel nicht über die Schulter gesehen, um Eure Hüften zu bewundern. Und hätten Eure geröteten Wangen nicht verraten, dass Ihr das wusstet.«
Elayne passte nicht auf und stolperte. Der Umhang öffnete sich, und bevor sie ihn wieder zusammengerafft hatte, hatte er das bisschen an Körperwärme verloren, das er angesammelt hatte. »Dieser dreckige Schweineküsser!«, knurrte sie. »Ich werde … Ich werde …!« Verdammt, was konnte sie tun? Es Rand sagen? Ihn sich um Taim kümmern lassen? Nie im Leben!
Nadere musterte sie nachdenklich. »Die meisten Männer werfen gern einen Blick auf das Hinterteil einer Frau. Hört auf, über Männer nachzudenken, und denkt endlich an die Frau, die Ihr als Schwester haben wollt.«
Elayne errötete erneut und dachte an Aviendha. Es half nicht, ihre aufgewühlten Nerven zu beruhigen. Man hatte ihr aufgetragen, vor der Zeremonie an ganz bestimmte Dinge zu denken, und einige davon bereiteten ihr Unbehagen.
Nadere passte sich Elaynes Tempo an, und Elayne achtete darauf, dass ihre Beine nicht unter dem Umhang hervorblitzten – überall begegneten ihnen Diener –, darum dauerte es eine Weile, bis sie den Raum erreichten, in dem sich die Weisen Frauen versammelt hatten. Es waren mehr als ein Dutzend von ihnen in ihren bauschigen Röcken und weißen Blusen und dunklen Schultertüchern, sie waren mit Halsketten und Armringen aus Gold und Silber, Juwelen und Elfenbein behängt, und ihre langen Haare waren mit zusammengefalteten Tüchern zurückgebunden. Sämtliche Möbel und Teppiche waren weggebracht worden; es gab nur noch die
Weitere Kostenlose Bücher