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Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)

Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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und verbarg das Gesicht in den Händen. Aber das dauerte nur einen Augenblick lang, dann stand sie wieder auf den Füßen.
    »Enid«, sagte sie energisch, »zähl bis fünfzig und hol alle aus dem Regen raus.« Niemand hätte geahnt, dass sie eben noch am ganzen Leib gezittert hatte. Sie nahm Jolines Umhang vom Haken, nahm aus einem Kästchen auf dem Kaminsims einen langen Holzspan und bückte sich, um ihn am Feuer unter den Spießen zu entzünden. »Wenn du mich brauchst, ich bin im Keller, aber sollte jemand nach mir fragen, dann hast du keine Ahnung, wo ich bin. Bis ich etwas anderes sage, geht außer dir und mir keiner mehr da runter.«
    Enid nickte, als wäre das völlig normal. »Bringt sie«, sagte die Wirtin zu Mat, »und trödelt nicht herum. Tragt sie, wenn es sein muss.«
    Er musste sie tragen. Noch immer beinahe lautlos weinend, ließ Joline weder seinen Hals los noch nahm sie den Kopf von seiner Schulter. Glücklicherweise war sie nicht schwer, trotzdem breitete sich ein dumpfer Schmerz in seinem Bein aus, als er Frau Anan mit seiner Last zur Kellertür folgte. Vielleicht hätte er es sogar genossen, hätte sich Frau Anan nicht bei allem so viel Zeit gelassen.
    Als gäbe es im Umkreis von hundert Meilen nicht einen Seanchaner, entzündete sie eine Lampe, die auf einem Bord neben der massiven Tür stand, und blies sorgfältig den Span aus, bevor sie den langen Glaszylinder wieder aufsetzte und dann den qualmenden Span auf einem kleinen Blechtablett ablegte. Ohne jede Eile zog sie einen langen Schlüssel aus der Gürteltasche, öffnete das Eisenschloss und bedeutete ihm endlich, durch die Tür zu gehen. Die dahinterliegenden Stufen waren breit genug, um ein Fass hinunterrollen zu können, aber sie waren auch tief und verschwanden in der Dunkelheit. Er gehorchte, wartete aber auf der zweiten Stufe, während sie die Tür hinter sich zuzog und abschloss, um dann mit hocherhobener Lampe vorauszugehen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein Sturz.
    »Tut Ihr das oft?«, fragte er und rückte Joline zurecht. Sie hatte aufgehört zu weinen, klammerte sich aber noch immer zitternd an ihm fest. »Ich meine, Aes Sedai zu verstecken?«
    »Ich hatte Gerüchte gehört, dass noch immer eine Schwester in der Stadt sein soll«, erwiderte Frau Anan, »und ich konnte sie vor den Seanchanern finden. Ich durfte ihnen keine Schwester überlassen.« Sie warf ihm über die Schulter einen grimmigen Blick zu, als wollte sie ihn herausfordern, ihr zu widersprechen. Er wollte es, aber er konnte sich nicht dazu überwinden, die Worte auszusprechen. Vermutlich hätte auch er jedem geholfen, vor den Seanchanern zu entkommen, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, und er schuldete Joline Maza etwas.
    Die Wanderin war ein gut ausgestattetes Gasthaus und der dunkle Keller war riesig. Auf der Seite liegende, sich hoch auftürmende Fässer mit Wein und Ale bildeten lange Gänge, auf dem Steinboden stapelten sich Lattenkisten mit Kartoffeln und Steckrüben, Reihen hoher Regale enthielten Säcke mit getrockneten Bohnen und Erbsen und Pfefferschoten, und das Licht allein wusste, was in den Bergen aus geschlossenen Kisten war. Es schien nur wenig Staub zu geben, aber die Luft hatte den trockenen Geruch, wie man ihn in abgeschlossenen Lagerräumen findet.
    Auf einem freigeräumten Regalbrett entdeckte Mat seine sauber zusammengefaltete Kleidung – falls nicht noch eine andere Person hier ihre Sachen aufbewahrte –, aber ihm blieb keine Gelegenheit, sie sich anzusehen. Frau Anan führte sie zum anderen Kellerende, wo er Joline auf ein aufrecht stehendes Fass setzte. Er musste sich mit sanfter Gewalt von ihren Armen befreien und sie hockte zusammengesunken da. Schniefend zog sie ein Taschentuch aus dem Ärmel und tupfte sich die rot geränderten Augen ab. Mit ihrem verschmierten Gesicht erfüllte sie kaum das Bild einer Aes Sedai, wie man sie sich vorstellte, von dem abgetragenen Gewand ganz zu schweigen.
    »Ihr Mut ist gebrochen«, sagte Frau Anan und stellte die Lampe auf einem anderen Fass ab. In der Nähe standen andere leere Fässer, die auf ihre Rückkehr zur Brauerei warteten. Die Stelle kam dem am nächsten, was Mat in diesem Keller an freiem Platz entdeckt hatte. »Sie hat sich seit der Ankunft der Seanchaner versteckt. Als sie sich in den letzten Tagen entschieden, die Suche von den Straßen auf die Häuser auszuweiten, mussten ihre Behüter sie mehrmals an andere Orte bringen. Ich schätze, das dürfte reichen, um

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