Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
jedermanns Mut zu brechen. Aber ich bezweifle, dass sie hier suchen werden.«
Wenn man an all die Offiziere oben dachte, hatte sie vermutlich sogar recht. Trotzdem war Mat froh, dass nicht er dieses Risiko eingehen musste. Er ging vor Joline in die Hocke; ein stechender Schmerz durchzuckte sein Bein und er grunzte. »Ich werde Euch helfen, wenn ich kann«, sagte er. Zwar wusste er nicht, wie er das anstellen sollte, aber da war diese Schuld. »Seid froh, dass ihr so viel Glück hattet, ihnen die ganze Zeit entgehen zu können. Teslyn hatte da weniger Glück.«
Joline riss das Taschentuch von den Augen und starrte ihn böse an. »Glück?«, stieß sie wütend hervor. Wäre sie keine Aes Sedai gewesen, hätte er gesagt, sie würde schmollen, so wie sie die Unterlippe vorschob. »Ich hätte entkommen können! Soweit ich weiß, herrschte am ersten Tag heillose Verwirrung. Aber ich war bewusstlos. Fen und Blaeric haben es gerade noch geschafft, mich aus dem Palast zu tragen, bevor es dort vor Seanchanern wimmelte, doch zwei Männer mit einer reglosen Frau in der Mitte zogen zu viel Aufmerksamkeit auf sich, als dass sie es bis zu den Stadttoren hätten schaffen können, bevor diese gesichert wurden. Ich bin froh, dass Teslyn erwischt wurde! Froh! Sie hat mir etwas verabreicht; da bin ich mir sicher! Darum konnten Fen und Blaeric mich nicht wecken, darum musste ich in Ställen schlafen und mich in Gassen verbergen, immer in der Angst, dass mich diese Ungeheuer finden. Es geschieht ihr recht!«
Die Tirade ließ Mat blinzeln. Er glaubte nicht, jemals zuvor so viel Gift in einer Stimme gehört zu haben, nicht einmal in den alten Erinnerungen. Frau Anan sah Joline missbilligend an und ihre Hand zuckte.
»Egal, ich werde Euch so gut helfen, wie ich kann«, sagte er eilig und richtete sich auf, um sich zwischen die beiden Frauen zu stellen. Er hätte es Frau Anan durchaus zugetraut, Joline zu schlagen, ob sie nun eine Aes Sedai war oder nicht. Und Joline schien nicht in der Stimmung zu sein, an die Möglichkeit zu denken, dass oben Damane sein konnten, die spürten, was auch immer sie zur Vergeltung tat. Es war eine Binsenwahrheit: der Schöpfer erschuf die Frauen, damit das Leben der Männer nicht zu einfach war. Wie beim Licht sollte er nur eine Aes Sedai aus Ebou Dar schaffen? »Ich stehe in Eurer Schuld.«
Ein paar winzige Falten entstanden auf Jolines Stirn. »In meiner Schuld?«
»Die Nachricht mit der Bitte, Nynaeve und Elayne zu warnen«, sagte er langsam. Er befeuchtete die Lippen und fügte hinzu: »Die Ihr auf meinem Kissen hinterlegt habt.«
Sie winkte ab, aber ihre auf sein Gesicht gerichteten Augen blinzelten nicht einmal. »Alle Schulden sind an dem Tag beglichen, an dem Ihr mir helft, aus den Stadtmauern herauszukommen, Meister Cauthon«, sagte sie in einem Tonfall, der so hoheitsvoll wie der einer Königin war.
Mat schluckte. Den Zettel mit der Botschaft hatte man in seine Manteltasche gesteckt und nicht auf seinem Kissen zurückgelassen. Und das bedeutete, er hatte sich in der Person geirrt, der er dafür etwas schuldete.
Er ging, ohne Joline der Lüge zu bezichtigen – es wäre selbst dann eine Lüge gewesen, wenn sie nur seinen Fehler nicht korrigiert hätte –, und er sagte es auch Frau Anan nicht. Das war sein Problem. Es bereitete ihm Übelkeit. Er wünschte sich, er hätte es nie herausgefunden.
Wieder zurück im Tarasin-Palast begab er sich auf direktem Weg in Tylins Gemächer und breitete seinen Umhang über einen Stuhl, um ihn zu trocknen. Regen prasselte gegen die Scheiben. Er legte seinen Hut auf eine der mit Schnitzereien versehenen, vergoldeten Kommoden, rieb sich mit einem Handtuch Gesicht und Hände trocken und überlegte, den Mantel zu wechseln. An ein paar Stellen war der Regen durch den Umhang gedrungen. Hier und da war sein Mantel feucht. Feucht. Beim Licht!
Er stöhnte angewidert, ballte das gestreifte Handtuch zusammen und schleuderte es aufs Bett. Er schindete Zeit, hoffte sogar, dass Tylin unerwartet hereinkam und dem Bettpfosten einen Stich versetzte, nur damit er das aufschieben konnte, was er nun zu tun hatte. Was er tun musste. Joline hatte ihm keine andere Wahl gelassen.
Der Grundriss des Palasts war einfach, wenn man es so sehen wollte. Diener lebten in der untersten Etage, wo sich die Küchen befanden, und unten in den Kellergewölben. Die nächste Etage enthielt die öffentlichen Repräsentationsräume und die engen Bürostuben der Schreiber, und die dritte
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