Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
zwei Männer waren, die nebeneinandergingen. Wenn sie sich freundlich gesinnt waren. Warum war Rochaid in dieses Labyrinth gegangen? Was auch immer sein Ziel war, er wollte dort möglichst bald eintreffen. Aber er konnte nicht wissen, welche Gassen er nehmen musste, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.
Plötzlich wurde sich Rand bewusst, dass die einzigen Stiefel, die er hörte, seine eigenen waren, und er blieb wie angewurzelt stehen. Stille. Von seinem Standort konnte er drei weitere schmale Gassen sehen, die vor ihm abzweigten. Kaum atmend strengte er die Ohren an. Und dann hörte er aus der nächsten Gassenmündung ein leises Scheppern, als hätte jemand im Vorbeigehen einen Stein gegen eine Mauer getreten. Am besten, er brachte es hinter sich und tötete den Mann.
Rand bog um die Ecke in die Gasse. Rochaid wartete bereits auf ihn.
Der Murandianer hatte den Umhang zurückgeschlagen und beide Hände auf dem Schwertgriff. Der Friedensbund von Far Madding webte Griff und Scheide mit einem feinen Drahtnetz zusammen. Ein schmales, wissendes Lächeln lag auf seinen Lippen. »Ihr wart so leicht anzulocken wie eine Taube«, sagte er und fing an, das Schwert zu ziehen. Der Draht war durchtrennt und dann so hingebogen worden, dass er bei einem flüchtigen Blick unversehrt erschien. »Lauft, wenn Ihr wollt.«
Rand lief nicht. Stattdessen machte er einen Schritt nach vorn, schlug mit der linken Hand auf Rochaids Schwertgriff und klemmte die Klinge ein, noch während sie zur Hälfte in ihrer Scheide steckte. Der Mann riss überrascht die Augen auf, aber er hatte noch immer nicht begriffen, dass die Zeit, die er mit seiner hämischen Bemerkung verschwendet hatte, ihn das Leben kosten sollte. Er wich zurück, versuchte freien Raum zu gewinnen, um die Waffe ziehen zu können, aber Rand folgte jeder seiner Bewegungen geschmeidig, hielt das Schwert fest, drehte sich aus der Hüfte heraus und trieb die gekrümmten Fingerknöchel hart in Rochaids Kehle. Knorpel knirschte laut und der Renegat dachte nicht länger daran, irgendjemanden töten zu wollen. Er stolperte mit weit aufgerissenen Augen zurück, riss beide Hände an den Hals und unternahm verzweifelte Bemühungen, Luft durch die zerschmetterte Luftröhre einzusaugen.
Rand setzte zum tödlichen Schlag an, direkt unterhalb des Brustbeins, da ertönte hinter ihm ein leises Geräusch, und plötzlich nahm Rochaids spöttische Bemerkung eine ganz neue Bedeutung an. Rand stieß den Mann mit der Handkante zu Boden und ließ sich aus diesem Schlag heraus auf ihn fallen. Kraftvoll geschwungener Stahl prallte klirrend gegen eine Steinmauer, ein Mann fluchte. Rand verwandelte den Sturz in eine Rolle vorwärts und riss Rochaids Schwert aus der Scheide, während er sich über die Schulter abrollte. Rochaid stieß einen schrillen, gurgelnden Schrei aus, während Rand wieder hochkam und in geduckter Stellung herumwirbelte.
Raefar Kisman stand da und starrte ungläubig auf Rochaid; die Klinge, mit der er Rand hatte aufspießen wollen, steckte nun in der Brust des Murandianers. Blut sprudelte aus Rochaids Mund, er grub die Absätze in den Boden und beschmutzte seine Hände mit Blut, da er den scharfen Stahl umklammerte, als könnte er ihn aus seinem Leib ziehen. Kisman war von durchschnittlicher Größe und blass für einen Tairener; abgesehen von dem Schwertgürtel war seine Kleidung so unauffällig wie Rands. Solange er diesen unter dem Umhang versteckte, hätte er in Far Madding überall hingehen können, ohne aufzufallen.
Seine Verzweiflung währte nur einen Augenblick. Im gleichen Moment, als Rand mit dem Schwert in beiden Händen auf die Beine kam, riss Kisman die Klinge aus dem Leib und hatte für seinen sich windenden Komplizen keinen Blick mehr übrig. Er beobachtete Rand und seine Hände an dem langen Schwertgriff verlagerten nervös ihre Position. Zweifellos gehörte er zu jenen, die so stolz darauf waren, die Macht als Waffe benutzen zu können, dass er die Ausbildung mit dem Schwert sträflich vernachlässigt hatte. Rand hatte sie nicht gering geschätzt. Rochaid zuckte ein letztes Mal, lag dann still da und starrte mit weit aufgerissenen Augen in den Himmel.
»Zeit zu sterben«, sagte Rand leise, aber als er sich vorwärtsbewegte, ertönte hinter dem Tairener ein nicht enden wollendes Rasseln, dem noch weitere folgten. Die Straßenhüter.
»Sie verhaften uns beide«, flüsterte Kisman. Es klang verzweifelt. »Wenn sie uns neben einer Leiche finden, hängen sie uns
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