Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
zu warten.
Elza schien sie kaum wahrzunehmen. Die Grüne mit der für gewöhnlich so freundlichen Miene stand vor Cadsuane auf dem Teppich und schaute grimmig drein; ihr Gesicht war gerötet, und ihre Augen funkelten. Elza war sich ihrer Position unter den Schwestern immer deutlich bewusst, vielleicht sogar zu sehr. Um Verin zu ignorieren und vor allem Cadsuane zur Rede zu stellen, musste sie ganz schön aufgeregt sein. »Wie konntet Ihr sie gehen lassen?«, verlangte sie zu wissen. »Wie sollen wir ihn ohne sie finden?« Ah, darum also ging es.
Cadsuanes Kopf blieb über den Stickreifen gebeugt und ihre Nadel machte weiterhin kleine Stiche. »Ihr könnt warten, bis sie zurückkehrt«, sagte sie seelenruhig.
Elza ballte die Fäuste. »Wie könnt Ihr so gleichgültig sein?«, sagte sie. »Er ist der Wiedergeborene Drache! Dieser Ort könnte eine Todesfalle für ihn sein! Ihr müsst …!« Sie verstummte mitten im Satz, als Cadsuane einen Finger hob. Mehr tat sie nicht, aber bei ihr reichte das vollständig.
»Ich habe mir Eure Tirade lange genug angehört, Elza. Ihr dürft gehen! Sofort!«
Elza zögerte, aber sie hatte keine Wahl. Mit gerötetem Gesicht machte sie einen kleinen Knicks, wobei sie den Stoff ihrer Röcke in den noch immer geballten Fäusten hielt, aber selbst wenn sie aus dem Wohnzimmer hinausstolzierte, so tat sie es doch ohne zu zögern.
Cadsuane legte den Stickreifen auf den Schoß und lehnte sich zurück. »Macht Ihr mir einen Tee, Verin?«
Unwillkürlich zuckte Verin zusammen. Die andere Schwester hatte nicht einmal in ihre Richtung geschaut. »Natürlich, Cadsuane.« Auf einem der Seitentische stand ein übertrieben verzierter silberner Teekessel auf einem vierbeinigen Gestell und war glücklicherweise noch immer heiß. »War es klug, Alanna gehen zu lassen?«, fragte sie.
»Ich konnte sie wohl kaum daran hindern, ohne den Jungen mehr wissen zu lassen, als er soll, oder?«, erwiderte Cadsuane trocken.
In aller Ruhe goss Verin Tee in eine Tasse aus dünnem blauen Porzellan. Es war kein Meervolk-Porzellan, aber es handelte sich um gute Qualität. »Könnt Ihr Euch denken, warum er ausgerechnet nach Far Madding gekommen ist? Ich habe beinahe meine Zunge verschluckt, als mir klar wurde, dass der Grund, warum er mit dem Herumspringen aufgehört hat, darin bestehen könnte, dass er hier ist. Wenn es etwas Gefährliches ist, sollten wir vielleicht versuchen, ihn aufzuhalten.«
»Verin, er kann tun, was sein Herz begehrt, egal was, wenn er nur lange genug lebt, um Tarmon Gai’don zu erreichen. Und solange ich an seiner Seite sein kann, um ihm beizubringen, wie man wieder lacht und weint.« Sie schloss die Augen, rieb sich die Schläfen mit den Fingerspitzen und seufzte. »Er verwandelt sich in Stein, Verin, und wenn er nicht wieder lernt, dass er ein Mensch ist, könnte der Sieg in der Letzten Schlacht nicht viel besser als eine Niederlage sein. Die junge Min hat ihm gesagt, dass er mich braucht; so viel habe ich aus ihr herausbekommen, ohne ihren Verdacht zu erregen. Aber ich muss darauf warten, dass er zu mir kommt. Ihr seht doch, wie grob er mit Alanna und all den anderen umspringt. Es wird schon schwer genug sein, ihn zu unterrichten, wenn er darum bittet. Er widersetzt sich jeder Führung, glaubt, er müsste alles selbst tun und erlernen, und wenn ich ihn nicht dafür arbeiten lasse, wird er gar nichts lernen.« Ihre Hände fielen auf den Stickreifen auf ihrem Schoß. »Ich scheine heute Abend in einer mitteilsamen Stimmung zu sein. Ungewöhnlich für mich. Falls Ihr diesen Tee jemals fertig eingegossen habt, werde ich möglicherweise noch mehr preisgeben.«
»Oh, ja, natürlich.« Hastig füllte Verin eine zweite Tasse und schob die kleine Phiole ungeöffnet zurück in ihre Gürteltasche. Es war gut, sich Cadsuane endlich sicher sein zu können. »Nehmt Ihr Honig?«, fragte sie so gedankenverloren, wie sie zustande brachte. »Ich kann mir das einfach nicht merken.«
KAPITEL 26
Erwartungen
A ls Elayne zusammen mit Egwene über die braun verfärbte Dorfwiese von Emondsfelde ging, erfüllten sie die Veränderungen mit Trauer. Egwene schien von ihnen verblüfft zu sein. Als sie in Tel’aran’rhiod erschienen war, baumelte ein langer Zopf auf ihrem Rücken; sie trug ausgerechnet ein einfaches Wollkleid und derbe Schuhe, deren Spitzen bei jedem Schritt unter ihren Röcken hervorschauten. Elayne vermutete, dass sie diese Art von Kleidung getragen hatte, als sie noch in den Zwei Flüssen
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