Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
beiden Seiten der Tür verzogen kaum merklich das Gesicht. Mellar hatte bereits den Ruf, Gardistinnen in den Hintern zu kneifen, zumindest die hübscheren unter ihnen, ganz zu schweigen davon, dass er sich in den Schenken der Stadt über ihre Fähigkeiten verächtlich machte. In den Augen der Gardistinnen war Letzteres viel schlimmer.
»Ich bin noch nicht die Königin, Hauptmann«, sagte Elayne kurz angebunden. Sie versuchte, sich bei dem Mann immer so kurz wie möglich zu fassen. »Wie geht es mit der Rekrutierung meiner Leibwache voran?«
»Bis jetzt sind es nur zweiunddreißig, meine Lady.« Den Hut noch immer in den Händen, legte der scharfgesichtige Mann beide Hände auf den Schwertgriff; seine lässige Haltung war kaum passend in der Gegenwart der Frau, die er seine Königin genannt hatte. Genauso wenig wie sein Grinsen. »Lady Birgitte hat strenge Anforderungen. Nicht viele Frauen erfüllen sie. Gebt mir zehn Tage und ich finde hundert Männer, die besser sind und Euch genauso in ihren Herzen bewahren, wie ich das tue.«
»Ich glaube nicht, Hauptmann Mellar.« Es kostete sie Mühe, nicht kühl zu klingen. Er musste die Gerüchte gehört haben, die über sie und ihn im Umlauf waren. Konnte er glauben, dass sie, nur weil sie sie nicht bestritten hatte, ihn tatsächlich attraktiv fand? Sie schob die zur Hälfte geleerte Schüssel mit Haferbrei von sich und unterdrückte einen Schauder. Zweiunddreißig, bis jetzt? Die Zahlen wuchsen schnell. Einige der Jäger des Horns, die einen Rang verlangt hatten, waren zu dem Schluss gekommen, dass der Dienst in Elaynes Leibwache einen gewissen Reiz hatte. Sie sah ein, dass die Frauen nicht Tag und Nacht Dienst schieben konnten, aber ganz egal, was Birgitte sagte, das Ziel von einhundert erschien übertrieben. Doch schon die Andeutung, dass auch weniger reichten, ließ die Frau stur reagieren. »Bitte sagt dem Ersten Sekretär, ich lasse bitten«, sagte sie. Er schenkte ihr eine weitere schwungvolle Verbeugung.
Sie stand auf, um ihm zu folgen, und als er einen der mit einem geschnitzten Löwen verzierten Türflügel öffnete, legte sie ihm die Hand auf den Arm und lächelte. »Nochmals danke, dass Ihr mir das Leben gerettet habt, Hauptmann«, sagte sie, und diesmal lag genug Wärme in ihrer Stimme.
Der Bursche grinste sie doch tatsächlich unverschämt an! Die Gardistinnen starrten reglos geradeaus, sowohl jene, die sie draußen im Korridor sehen konnte, bevor sich die Tür hinter ihm schloss, als auch die, die drinnen stationiert waren, und als sich Elayne umdrehte, starrte Aviendha sie mit fast dem gleichen ausdruckslosen Blick an, den sie für Mellar übriggehabt hatte. Es lag ein gewisses Gefühl darin: reines Erstaunen. Elayne seufzte.
Sie ging über den Teppich, beugte sich herunter und legte den Arm um ihre Schwester, dann sprach sie so leise, dass nur sie es hören konnte. Sie vertraute den Frauen ihrer Leibwache Dinge an, die sie sonst nur wenigen mitteilte, aber es gab einige Angelegenheiten, die sie ihnen nicht zu sagen wagte. »Ich sah eine vorbeigehende Dienerin, Aviendha. Dienerinnen klatschen noch mehr als Männer. Je mehr glauben, dass es Doilin Mellars Kind ist, desto ungefährdeter wird es sein. Falls nötig lasse ich mir von dem Mann sogar in den Hintern kneifen.«
»Ich verstehe«, sagte Aviendha langsam und betrachtete ihren Teller so aufmerksam, als würde sie etwas anderes als die Eier und Pflaumen sehen, die sie nun mit dem Löffel hin und her schob.
Meister Norry präsentierte seine gewöhnliche Mischung aus alltäglichem Palastbetrieb und Stadtleben, Einzelheiten aus seiner Korrespondenz mit ausländischen Hauptstädten und den Informationen von Kaufleuten und Bankiers und anderen Leuten, die außerhalb der Grenzen zu tun hatten, aber seine erste Neuigkeit war bei Weitem die für Elayne wichtigste, wenn nicht sogar die interessanteste.
»Die beiden wichtigsten Bankiers der Stadt sind … zugänglich geworden, meine Lady«, sagte er mit seiner staubtrockenen Stimme. Die Ledermappe an die Brust gedrückt, warf er Aviendha einen Seitenblick zu. Er hatte sich noch immer nicht an ihre Gegenwart bei seinen Berichten gewöhnt. Oder an die Leibwächterinnen. Aviendha fletschte die Zähne und er blinzelte und hustete dann in seine knochige Hand. »Meister Hoffley und Frau Andscale waren zuerst etwas … zögerlich, aber sie kennen den Markt für Alaun genauso gut wie ich. Man kann zwar noch nicht mit Sicherheit sagen, dass ihre Schatzkammern nun die
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