Das Rätsel deiner Leidenschaft
sein Gesicht, und er zwinkerte ihr zu. »Es ist immer Platz für mehr da.«
Ihre Fragen waren beantwortet, und trotzdem war sie alles andere als zufrieden. Sie fragte sich nun, ob sie ihm die richtigen Fragen gestellt hatte. Oder ob sie sich nicht besser zu drei oder sogar vier hätte bereiterklären sollen. Vielleicht hätte sie ja fragen sollen, warum er nicht den Regeln seiner Gesellschaftskreise gefolgt war und geheiratet und einen Erben in die Welt gesetzt hatte. Oder warum er sie neulich nachts geküsst hatte – doch mit keiner dieser Fragen hätte sie irgendwelche nützlichen Informationen erlangt.
Dann kam ihr der Gedanke, dass er wahrscheinlich log. In jener Nacht am Pokertisch hatte er ohne weiteres auf einen hohen Gewinn verzichtet, um stattdessen nichts als einen Kuss zu fordern. Es war also durchaus möglich, dass er nicht spielte, um Reichtum zu erwerben, sondern nur um des Vergnügens willen. »Reichtum«, sagte sie verächtlich und verschränkte der zusätzlichen Wirkung wegen ihre Arme vor der Brust. »Sie hätten sich eine glaubwürdigere Ausrede ausdenken können. Wenn Sie wollen, dass ich ehrlich bin, müssen Sie es auch sein.«
Ein Muskel zuckte fast unmerklich an seiner Wange. »Sie sind sehr scharfsinnig, Sabine.«
»Ich habe Ihnen nie erlaubt, mich mit meinem Vornamen anzusprechen«, sagte sie.
»Und mein Benehmen war auch noch nie das Beste«, konterte er mit erhobener Augenbraue.
»Beantworten Sie meine Fragen ehrlich«, forderte sie ihn auf.
»Also gut. Ich habe diese Karte gesucht, um die Existenz von Atlantis zu beweisen.«
»Dann geben Sie also zu, dass Sie ein Gelehrter sind?«, fragte sie, außerstande, die Überraschung aus ihrer Stimme fernzuhalten.
Er lachte, und dieses tiefe Lachen war so echt, so voller aufrichtigem Humor, dass Sabine sich zusammennehmen musste, um nicht zu lächeln. »Nur wenige würden mich so nennen. Aber ich denke, es gibt auch weniger passende Bezeichnungen.«
»Und?«, fragte sie.
»Und was?«
»Haben Sie die Existenz von Atlantis beweisen können?«
Wieder sah sie den Muskel an seinem Kinn zucken. »Für manche vielleicht ja. Aber nicht für alle.« Er löste sich von seinem Schreibtisch und ging zu dem Sessel, auf den er sein Hemd geworfen hatte. Er streifte es über, machte sich aber nicht die Mühe, es zuzuknöpfen. Die Wirkung war so reizvoll und verführerisch, dass Sabine einen trockenen Mund bekam. »Es gibt noch genügend Zweifler, die nach wie vor der Meinung sind, der verlorene Kontinent sei nichts weiter als eine von Platon erfundene Geschichte.«
»Aber was ist mit der Karte?« Sabine riskierte einen weiteren kurzen Blick darauf. »Ist sie nicht Beweis genug?«
Max ging zu seinem Sessel hinter dem Schreibtisch. »Eine Karte ist nur eine Zeichnung. Ich habe Gerüchte gehört, dass Lewis Carroll Karten seiner erfundenen Welten gezeichnet hat, aber deshalb glaubt doch niemand, dass diese Fantasievorstellungen die Existenz von Alice’ Wunderland beweisen.« Er brachte all das in einem so gelassenen, neutralen Ton vor, dass Sabine nicht umhinkonnte zu denken, dass sich hinter diesen Worten großer Schmerz verbarg. Oder vielleicht bildete sie sich das ja auch nur ein, weil es ihre Faszination für ihn erhöhte.
»In der Tat«, sagte sie. Sie hatte sich nie viele Gedanken darüber gemacht, was der Rest der Welt über ihre Kultur dachte. Bis zum vergangenen Jahr hatte sie in einem kleinen Küstenort gelebt, umgeben von anderen Nachkommen von Atlantidern, die noch immer fast genauso lebten wie ihre Vorfahren vor langer, langer Zeit. Stolz erfasste sie bei dem Gedanken, dass es Menschen gab, denen daran lag, die Wahrheit über das atlantidische Volk herauszufinden.
»Zufrieden?«, fragte Max, während er sich vorbeugte und seine Ellbogen auf die Knie stützte.
»Für den Augenblick ja.«
Er lächelte breit. »Gut, denn jetzt stelle ich die Fragen. Warum sind Sie hinter dieser Karte her? Und sagen Sie mir die Wahrheit«, ermahnte er sie. »Ich weiß, dass Sie keine Kartensammlerin sind.«
Es erschien Sabine sicherer, nur in groben Zügen zu antworten, um zu sehen, was er akzeptieren würde und was sie vermeiden konnte, preiszugeben. Deshalb begann sie ganz am Anfang. »Meine Vorfahren kamen aus Atlantis. Diese Karte«, sagte sie und zeigte auf die Wand hinter ihm, »ist eine Art Familienerbstück, und ich habe erst vor Kurzem erfahren, dass sie hier in London ist. Bei Ihnen.« Bis dahin war alles wahr.
Max lehnte sich in seinem
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