Das Rätsel der Fatima
Ahmad einen unsicheren Blick zu. Auch der Venezianer schien nicht zu wissen, was er von Senges Benehmen halten sollte. »Wie du weißt, lebt mein Onkel Maffeo immer noch. Das Gift, das du uns gegeben hast, war entweder zu schwach, oder es hat nicht die erwünschte Wirkung gehabt. Statt also tot in seinem Sarg zu liegen, schnüffelt er in meinen und Ahmads Aufzeichnungen herum und steckt seine Nase in Dinge, die ihn nichts angehen – und genau das wollten wir eigentlich verhindern.«
Dank Senges geändertem Verhalten schienen Marcos Mut und seine scharfe Zunge wieder zurückgekehrt zu sein. Und auch Ahmad fühlte sich durch den Mongolen nicht mehr bedroht. Im Gegenteil. Er wunderte sich jetzt sogar, weshalb er überhaupt jemals Angst vor Senge gehabt hatte. Gut, der Mongole kannte sich mit der Wirkung von Giften aus, aber ansonsten war der Mann harmlos und ebenso ungebildet wie alle Mongolen.
»Ich hoffe, du erinnerst dich noch daran, dass du uns die rasche Beseitigung unseres Problems in Aussicht gestellt hast«, sagte Ahmad mit jener Schärfe, welche die Schreiber, die Diener und sogar seine Geschäftspartner so an ihm fürchteten. »Doch das ist nicht geschehen. Im Gegenteil, das Problem hat sich sogar noch vergrößert.«
Senge sah Ahmad so überrascht an, als wüsste er tatsächlich nicht, was geschehen war, als wäre er in den vergangenen Tagen überall nur nicht hier in Taitu gewesen.
»Vergrößert? Aber warum denn?«
War Senge wirklich so dumm? Wusste er tatsächlich nicht, was sein Gift angerichtet hatte? Ahmad knirschte vor Wut mit den Zähnen.
»Ich werde es dir erklären«, sagte er. Am liebsten hätte er Senge am Kragen gepackt, ihn geschüttelt und ihm mit seinem Dolch das Zeichen der Bruderschaft und das Zeichen der Fidawi in die Stirn geritzt. Trotzdem bemühte er sich, höflich zu bleiben. Denn schließlich wusste er nicht, wann der Dämon zurückkehren würde. Oder ob Senge nicht nur mit ihnen spielte und sich absichtlich verstellte. Diesem Mann, so wie er ihn bisher kennen gelernt hatte, war alles zuzutrauen. »Maffeo schnüffelt immer noch hinter uns her. Und, als würde das allein nicht ausreichen, haben wir nun auch noch Dschinkim am Hals. Sein Misstrauen ist geweckt, und er lässt uns keinen Moment mehr aus den Augen. Dieser Sohn einer räudigen Hündin will das ›Verbrechen‹ aufklären, und ihm zur Seite steht niemand Geringeres als dieses Weib aus dem Norden des Abendlandes. Die Hexe hat es bereits geschafft, mit ihren Künsten Maffeos Ableben zu verhindern. Wer weiß, wozu sie noch in der Lage ist. Vielleicht gelingt es ihr mit ihren Hexenkünsten tatsächlich, die Spuren zu uns zurück zu verfolgen. Und was dann?«
»Regt euch nicht auf, Freunde«, erwiderte Senge und lächelte sogar, als wäre das alles für ihn lediglich ein großes Vergnügen. »Mir wird schon etwas einfallen.«
»Du solltest dich aber damit beeilen, denn die Zeit wird langsam knapp«, sagte Ahmad. »Irgendwann wird Maffeo oder Dschinkim auf etwas stoßen, das uns gefährlich werden kann. Und sollte dann Khubilai davon erfahren…«
»Ich bin mir dieser Gefahr durchaus bewusst«, unterbrach ihn Senge. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und für einen kurzen Moment war es wieder der abscheuliche Dämon, der Ahmad aus den Augen des Mongolen angrinste. Zum Glück ging dieser Moment rasch vorüber. Die Gänsehaut auf Ahmads Armen aber blieb. »Auch solltet ihr nicht vergessen, dass Maffeo euer Problem ist, nicht meines. Wenn ich wollte, könnte ich euch auf der Stelle den Rücken zukehren und euch hier allein lassen. Dann müsstet ihr selbst darüber nachdenken, wie ihr diese Situation wieder in den Griff bekommt.«
Ahmad und Marco sahen sich erschrocken an. Senge hatte recht. Wenn er wollte, konnte er tatsächlich einfach verschwinden. Ihm würde niemand etwas nachweisen können, selbst wenn sie seine Mitschuld noch so sehr beteuern würden.
»Aber seid unbesorgt«, fuhr Senge fort, »ich bin ein freundlicher Mensch. Und ein einmal gegebenes Versprechen halte ich – in der Regel.« Er lachte. Und plötzlich war es wieder da, dieses grausame harte Lachen, das selbst dem tapfersten Mann den Angstschweiß aus den Poren treiben konnte. »Ich habe auch bereits einen Plan. Einen Plan, der so exzellent und genial ist, dass er alle Probleme mit einem Schlag beseitigen wird. Hört genau zu, meine Freunde, ihr werdet begeistert sein.«
Senge legte seine dünnen Arme um Ahmads und Marcos Schulter. Alles in
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