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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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ein wahres Festmahl auffahren lassen. Es gab eine klare Fleischbrühe mit Pilzen und hauchfeinen Nudeln, geröstete Ente mit verschiedenen Gemüsen und dazu eine süß-saure Soße, gebackene Hühnerflügel, gedämpfte Fischbällchen, Flusskrebse in einer scharfen Soße und gebratene Nudeln, die so exzellent gewürzt waren, dass man beinahe süchtig danach werden konnte. Dazu reichten die Diener natürlich viel Reis und einen köstlichen grünen Tee, der zart nach Jasminblüten duftete.
    Vielleicht ist aber auch nur die angenehme Gesellschaft der Grund, weshalb ich dieses Essen so genossen habe, dachte Beatrice, während ein Diener ihr eine Schale mit frischen Pflaumen, Pfirsichen und Litschis reichte.
    Bisher hatte sie fast immer allein gegessen. Maffeo war sehr beschäftigt und fand meist keine Zeit, um mit ihr zusammen zu essen, sodass in der Regel nur Ming anwesend war, um sie zu bedienen. Und die alte Chinesin war alles andere als ein guter Gesprächspartner.
    Ganz anders Marco. Er konnte überaus plastisch erzählen und tat es mit Begeisterung. Er mochte zwar kaum dreißig Jahre alt sein, aber er hatte bereits viel erlebt. Er hatte von seiner Ankunft am Hof des Khans berichtet, von Taitu, den Eigenheiten Khubilais und anderer Mitglieder der kaiserlichen Familie und den Wundern, denen er auf seinen ausgedehnten Reisen durch das Reich bereits begegnet war. Beatrice hätte noch stundenlang zuhören und jedes Wort, das von seinen Lippen tropfte, in sich aufsaugen können wie ein trockener Schwamm. Kein Wunder, dass noch Jahrhunderte nach seinem Tod seine Reisebeschreibungen die ganze Welt faszinierten. An diesem Mann war ein großer Schriftsteller verloren gegangen.
    »Maffeo erzählte mir, dass viele hier in Shangdou dem Umzug nach Taitu nicht gerade mit Freuden entgegensehen«, sagte Beatrice, nachdem die Diener das wunderschöne, mit Blumen und Drachen bemalte Geschirr abgeräumt hatten. »Was haltet Ihr davon?«
    »Ich halte Khubilais Entscheidung für sehr klug«, antwortete Marco und drehte nachdenklich seine Teeschale in der Hand. »Taitu liegt im Herzen des Reiches, von dort kann er alle Provinzen mühelos und innerhalb kurzer Zeit erreichen. Es ist ein starkes Symbol, das besonders den Chinesen sehr viel bedeutet. Es zeigt ihnen, dass Khubilai nicht allein der Khan der Mongolen ist, sondern auch der Sohn des Himmels, der Herrscher über die Chinesen. Für eine Nation, die aus zwei so verschiedenen Völkern besteht, ist das ein überaus wichtiges Signal. Außerdem«, er lächelte, »sind die Handelswege nach Taitu viel günstiger. Denkt allein an die frischen Pflaumen und Pfirsiche, die wir gerade verzehrt haben. Hier in Shangdou sind das so seltene Köstlichkeiten, dass man sie mit Gold aufwiegt. Nach Taitu hingegen kommen fast täglich Karawanen aus den südlichen Provinzen, reich beladen mit Obst und Gemüse.«
    »Das klingt eigentlich so, als müsste jeder dankbar sein, dass der Khan nach Taitu umziehen will«, sagte Beatrice. »Und trotzdem sind Einwände zu hören?«
    Marco zuckte mit den Schultern. »Es gibt eben überall verbohrte, verstockte Menschen«, erwiderte er und schnippte sich ein Reiskorn von seiner Hose. »Die Leute haben Angst vor der Veränderung. Was neu ist, wird kategorisch abgelehnt. Sie vergessen, dass fünftausend Arbeiter zwanzig Jahre lang geschuftet haben, um diese Stadt zu errichten, und dass Hunderte von ihnen dabei ihr Leben ließen. Stattdessen erfinden sie lieber düstere Prophezeiungen.«
    » Prophezeiungen?«
    »Ja, einige Alte, Schamanen und irgendwelche Großmütter, die angeblich über das zweite Gesicht verfügen, wollen schlechte Omen gesehen haben. Sie sagen, dass Khubilai mit dem Umzug nach Taitu die Verbindung zu den Ahnen durchtrennt und sich und das mongolische Volk dadurch dem Untergang preisgibt. Sie behaupten sogar, dass Khubilais Herrschaft in Taitu keine zehn Jahre dauern wird, dann werden ihn angeblich die Chinesen stürzen.« Marco zuckte erneut mit den Schultern. »Aber das ist nur das Geschwätz seniler Greise. Nichts, was man ernst nehmen sollte. Hätten wir damals auch auf die Unkenrufe einer alten Tante gehört, würden wir jetzt immer noch in unserem Geschäft in der Nähe des Markusplatzes sitzen und Juwelen an venezianische Edelfrauen verkaufen.«
    »Da habt Ihr sicher recht. Doch meint Ihr nicht auch, dass man die Tradition und insbesondere den Glauben eines Volkes nicht einfach so außer Acht lassen sollte?«, wandte Beatrice ein.
    »Möglich.

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