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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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feige?«, fragte Senge. Der Spott und der Hohn in seiner Stimme bissen in Ahmads Ohren. »Verzeih, aber darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich weiß, dass es dir nicht gefällt. Trotzdem wirst du dich fügen müssen, solltest du jemals ernsthaft die Absicht haben, dein Ziel zu erreichen.« Er trat so nahe an Ahmad heran, dass dieser den Atem des Mongolen in seinem Gesicht spürte. Einen Atem, der den Geruch des Todes in sich barg. »Gift ist dafür ein geringer Preis. Ich bin sicher, dein Allah wird dir verzeihen.«
    Die Art, wie Senge den heiligen Namen Allahs aussprach, war widerwärtig. Voller Abscheu starrte Ahmad in die dunklen, fast schwarzen Augen des Mongolen. Ihn packte die Wut, und er musste sich beherrschen, um sich nicht sofort auf ihn zu stürzen und ihm die Kehle durchzuschneiden. Dieser Mann war noch weniger als ein Ungläubiger. Er war ein Gottloser, ein Lästerer. Eines Tages würde er ihn für seinen Frevel bestrafen, ihn zur Rechenschaft ziehen und ihn von seinem jämmerlichen gottlosen Dasein befreien. Doch zuerst musste er sich um das direkt vor ihnen liegende Problem kümmern. Wenn das gelöst war, dann konnte er Senge töten. Ahmad nickte.
    »Gut, ich werde es tun«, sagte er und nahm Marco den Beutel ab. Der Venezianer wirkte sichtlich erleichtert. »Ihr könnt euch auf mich verlassen.«
    Er steckte den Beutel unter seinen Mantel in eine Tasche. Besonders wohl fühlte er sich dabei trotzdem nicht. Der Beutel mit den giftigen Früchten schien ihm ein Loch durch den Mantel hindurch in die Haut zu brennen.
    »Wir sollten jetzt gehen«, sagte Marco.
    Ahmad hasste ihn für seine fröhliche Unbeschwertheit. Natürlich, der Venezianer konnte gut lachen. Er war es schließlich nicht, der seine Seele den Feuern der Hölle preisgab. Doch ganz gleich, wie er es auch drehte und wendete, ihm fiel keine andere Lösung ein. Es hatte den Anschein, als ob Senge recht hätte und es nur diesen einen Weg gäbe, Allah zu dienen.

11
     
     
     
    Die Reise verlief ohne Zwischenfälle. Der Zug bewegte sich von morgens bis abends ohne Unterbrechung in südöstliche Richtung. Abends, kurz vor Einbruch der Dämmerung, wurde das Lager aufgeschlagen und war am folgenden Morgen noch vor Sonnenaufgang wie durch Zauberei verschwunden. Tagsüber aßen und tranken sie auf ihren Pferden. Sie schliefen sogar im Sattel. Was Beatrice anfangs für unmöglich gehalten hatte, wurde ihr bereits nach zwei Tagen zur Routine. Nach zwei weiteren Tagen war der Muskelkater verschwunden, und die Strapazen des Ritts spürte sie überhaupt nicht mehr. Es war, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, als auf dem Pferderücken durch die Welt zu reisen. Und wenn sie sich abends auf ihrem Lager ausstreckte und zudeckte, war sie nicht müder als an einem ganz normalen Arbeitstag im Krankenhaus. Auch ihrem Kind schien die Reise nichts auszumachen. Li Mu Bai untersuchte sie jeden Tag, setzte ihr Nadeln oder gab ihr eine seiner merkwürdigen Arzneien. Er war mit dem Ergebnis zufrieden und sie selbst auch. Ob es an Li Mu Bais Behandlung lag, konnte sie zwar nicht mit Sicherheit sagen, aber sie hatte mittlerweile weder Wehen noch geschwollene Beine. Sie fühlte sich so gut, dass Maffeo sie oft daran erinnern musste, dass sie schwanger war und sich nicht zu viel zumuten durfte. Hätte Beatrice die Zeit nicht genutzt, um mit Maffeos Hilfe ihre Kenntnisse der mongolischen Sprache zu verbessern, sie hätte sich sogar gelangweilt. Dennoch war sie heilfroh, als sie gegen Mittag des achten Tages endlich Taitu erreichten.
    Ein kleiner Junge, einer der unzähligen Enkel des Khans, wie Beatrice vermutete, entdeckte die Stadt als Erster. Sie waren gerade dabei, eine Hügelkette zu überqueren, als der Junge sein Pferd zügelte, die Hand ausstreckte und so laut wie er konnte rief: »Seht nur, dort unten! Da ist Taitu! Wir sind bald da!«
    Rasch verbreitete sich die Neuigkeit unter den Reisenden, und schon bald befand sich jeder, der auf einem Pferd unterwegs war, ebenfalls auf der Kuppe des Hügels. Auch Beatrice. Sie sah hinunter in das vor ihr liegende Tal und war sprachlos.
    Als hätte ein Riese Juwelen aus einem riesigen Beutel geschüttet, lag die Stadt vor ihnen in der Mittagssonne. Die Dächer glänzten und funkelten in allen Farben – grün, gelb, blau und rot. Beatrice kam sich vor, als stünde sie auf der Empore des Kartenraums von Shangdou. Und doch war es anders. Schöner, gewaltiger, einfach atemberaubend. Marco hatte recht

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