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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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ist. Und dann werden die Mongolen wieder das sein, was sie schon immer waren, mittellose Viehtreiber!« Ming stand auf. »Entschuldigt, Herr, wenn Ihr mich nicht mehr braucht, lege ich mich schlafen. Ich bin müde.«
    Sie verbeugte sich kurz vor Maffeo und trippelte mit hoch erhobenem Kopf zu ihrem Schlafplatz.
    »Du solltest etwas vorsichtiger sein, Beatrice«, sagte Maffeo leise und wischte sich den Mund mit einem Tuch ab. »Ming gehört zu den Menschen, die man sich besser nicht zu Feinden macht.«
    Deine Warnung kommt eindeutig zu spät, dachte Beatrice. Das habe ich schon längst getan.
    »Ich werde mich ebenfalls hinlegen«, sagte sie zu Maffeo. »Ich bin doch ziemlich müde. Weißt du, wie lange die Reise nach Taitu dauern wird?«
    »Ich nehme an, etwa acht Tage«, antwortete Maffeo und half ihr beim Aufstehen.
    Nur mühsam kam Beatrice vom Boden hoch. Sie hatte zwar keine Rückenschmerzen, der Sattel hatte sich im Laufe des Tages als wesentlich bequemer entpuppt, als sie angenommen hatte, aber stattdessen hatte sie bereits jetzt heftigen Muskelkater. Am schlimmsten waren die Waden und die Innenseiten der Oberschenkel betroffen. Während sie mit Maffeos Hilfe zu ihrem Schlafplatz wankte, fragte sie sich, wie sie mit diesem Muskelkater den morgigen Tag auf dem Pferderücken überstehen sollte.
    Morgen Abend wird es bestimmt schon besser sein, dachte sie und drehte sich langsam auf die Seite.
    Von ihrem Schlafplatz aus konnte sie Ming sehen. Das Lagerfeuer in der Mitte des Zelts beschien das runzlige Gesicht der Chinesin. Was Ming wohl mit ihrer Bemerkung über Taitu gemeint hatte? Was erwartete die Mongolen, wenn sie die Stadt erreicht hatten? Ein Hinterhalt? Oder gab es doch die »bösen Geister«, von denen Marco gesprochen hatte? Hatten die chinesischen Baumeister den Palast etwa so errichtet, dass er innerhalb kurzer Zeit über dem Khan zusammenstürzen würde? Was auch immer es war, es war jedenfalls nichts Gutes, denn sogar im Schlaf sah Ming verbissen, verbittert und hasserfüllt aus. Was hatte Maffeo gesagt? Ming sollte man sich nicht zur Feindin machen? Aber was konnte die Alte ihr denn schon anhaben?
    Sie kann dich vergiften, schoss es Beatrice durch den Kopf.
    Die Gelegenheit hat sie jeden Tag, schließlich ist sie diejenige, die dir das Essen bringt.
    Eine überaus beunruhigende Vorstellung. Von diesem Augenblick an würde sie sich nie wieder wirklich sicher fühlen. Es sei denn, sie würde dafür sorgen, dass Ming aus ihrer Nähe verschwand. Gleich morgen früh werde ich Maffeo bitten, mir eine andere Dienerin zuzuweisen, dachte sie. Und über diesem Vorsatz schlief sie ein.
     
     
    Nur noch vereinzelt brannten die Gemeinschaftsfeuer im Lager. Sie warfen ihren schwachen, zuckenden Schein auf die Zelte, in denen Khubilais Untertanen dem morgigen Tag entgegenschlummerten. Bald würden auch die letzten Feuer verlöschen, und dann würde es dunkel sein. Nur noch das Licht der Sterne würde über ihnen scheinen als Zeichen für die allgegenwärtige Größe und Güte Allahs.
    Ahmad blieb kurz stehen und sah hinauf in die Unendlichkeit des Himmels, dieses Wunder der Schöpfung. Er war ergriffen von der Schönheit und dem Frieden, die ihn umgaben. Und plötzlich fragte er sich, weshalb er überhaupt hier war. Warum er nicht auch wie alle anderen in seinem Zelt lag und schlief. Er war müde. Und er war alt. Zu alt, um diese Aufgabe noch zu bewältigen, diese selbst auferlegte Mission. Tat er das Richtige? War es wirklich Allahs Wille, dass er die Rache vollzog? Wie konnte er einerseits Allahs unendliche Güte preisen und andererseits fest daran glauben, dass er dazu auserwählt war, in Seinem Namen Leben auszulöschen. Leben, das Allah selbst erschaffen hatte. Wie konnte er…
    »Endlich!«, hörte er plötzlich eine Stimme aus dem Dunkeln. »Wir dachten schon, du kommst nicht mehr.«
    Die spöttische Stimme des Venezianers riss ihn aus seinen Gedanken und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Ahmad wischte sich über die Stirn. Er fühlte sich wie jemand, der aus einem Traum erwacht, einem seltsamen, verrückten Traum. War das wirklich er? Hatte tatsächlich er eben gerade gezweifelt? Ahmad schüttelte den Kopf. Vielleicht war es eine Prüfung seiner Standhaftigkeit und seiner Bereitschaft, für Allah und die Reinheit des Glaubens zu streiten. Zum Glück war es jetzt vorbei. Er wusste wieder, weshalb er hier war, und er war fest entschlossen, seine Aufgabe durchzuführen. Er war der Letzte der

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