Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
hat. Das hat ihn erneut aus der Bahn geworfen.«
»Wollte er dorthin gehen? Er hatte doch geschworen, das nie wieder zu tun!«
»Das hat er, und er hat sich lange daran gehalten. Aber sie scheint ihn wieder in ihren Bann gezogen zu haben, und er kann ihr nicht widerstehen. Er kauft seinen Schnaps bei ihr, statt in >Siedlers Wappen< zu gehen. Vielleicht ist er letzte Nacht gleich da geblieben. Vida weiß schon, wie sie ihn lockt!«
»Diese Frau ist doch ein Satansweib. Es ist wirklich ein Wunder, daß sie noch niemand umgebracht hat!«
In diesem Augenblick erklangen Schritte auf der Veranda, und Jerry platzte außer Atem und sehr blaß herein.
»Jerry, was ist los? Warum bist du nicht in der Schule?«
»Weil ein Mord passiert ist, und ich — ich habe die Leiche entdeckt!« Er hatte sich diesen Satz immer wieder auf dem Heimweg vorgesagt und fand, daß er wirklich gut klang. Die Wirkung war ganz so, wie er es sich vorgestellt hatte.
»Ein Mord? Wieso?« fragte seine Mutter.
»Ein Mord? Unsinn! Du hast dir etwas zurechtgelegt, weil du die Schule geschwänzt hast.« Beth versuchte streng mit ihm zu sein.
»Das habe ich nicht.« Jerry schleuderte seine Mappe auf den Tisch und sank in dramatischer Pose auf einen Stuhl. »Mrs. Cox ist ermordet worden«, erklärte er langsam.
Alice Sutherland war, als wiche ihr alles Blut aus dem Herzen. Sie wurde schneeweiß. »Vida Cox? Oh, die arme, arme Frau! Aber das kann doch nicht wahr sein! Wer sollte sie denn ermordet haben?«
»Na ja, irgend jemand eben!« erwiderte ihre Tochter trocken. Aber als ihr Blick auf das entsetzte Antlitz ihrer Mutter fiel, fragte sie: »Jerry, was soll das alles? Woher weißt du, daß Mrs. Cox — tot ist, und was soll der Unsinn mit dem >Auffinden der Leiche«
Jerry fing an zu erzählen und ließ nichts aus, bis er zum Höhepunkt kam: »Ich schob mich also die Feuerleiter entlang. Die war ehrlich schmal, da kann sich einer leicht zu Tode stürzen!«
»Gib nicht so an! Da ist doch ein Gitter dran, um sich festzuhalten!« unterbrach Beth ihn unfreundlich.
»Das Gitter ist verdammt wackelig, meine liebe Schwester! Dann kam ich an ihr Zimmer und guckte durchs Fenster hinein, und was meinst du, was ich da sah?« Er machte eine Kunstpause.
»Jerry, sei nicht so gemein! Erzähl weiter! Du solltest dich schämen, so — so ein Drama draus zu machen!«
»Ist das etwa kein Drama, wenn eine Frau ermordet wird?« fragte ihr Bruder und sah sich um. In dem Augenblick kam Alec mit dem Milchkrug herein und hörte zu.
»Ich guckte also durchs Fenster und sah, wie Mrs. Cox auf dem Fußboden vor der Tür lag. Deshalb konnte Clara ja nicht in das Zimmer kommen! Mrs. Cox’ Leiche hemmte die Tür!«
Alle schwiegen. Alice schaute auf und sah ihren Ältesten schweigend dastehen und mit totblassem Gesicht auf den Jungen starren. Als er den Augen seiner Mutter begegnete, setzte er den Krug mit vorgetäuschter Ruhe nieder. Das vergrößerte Publikum behagte Jerry sehr, und mit Gönnermiene fragte er: »Wetten, daß du noch nichts von Mrs. Cox weißt, Alec? Oder wurde sie etwa ermordet, als du heute nacht in der Kneipe warst?«
»Ermordet?« Es war fast ein Flüstern. »Vida ermordet?«
»Ja, weißt du das noch nicht? Warst du denn nicht dort, letzte Nacht?«
Scharf sagte Beth: »Sprich nicht so zu Alec! Er war gestern bei den Pferderennen und wahrscheinlich gar nicht in der Nähe des Gasthauses.« Dann hielt sie inne, die Augen fragend auf ihren Bruder geheftet.
»Na gut. Ich dachte bloß, weil er doch so oft dort ist. Irgendwann in dieser Nacht ist sie ermordet worden; das habe ich Ben Wilkie sagen hören.« Dann fuhr er fort in seiner Erzählung: »Die anderen Kinder wissen natürlich noch nichts. Sie waren alle an der Feuerleiter versammelt, aber Ben und ich schickten sie weg. Die blöde Marilyn wäre beinahe wieder ohnmächtig geworden, wenn ich sie nicht gehalten hätte.«
Alice hatte bis jetzt geschwiegen, aber jetzt meinte sie ängstlich: »Aber wenn du nicht in dem Zimmer warst, sondern zurückgegangen bist — wie kannst du denn alles so genau wissen? Woher weißt du, daß sie nicht an einem Herzanfall gestorben ist? Du hast sie doch nicht gesehen, oder, Jerry?«
Jerry mußte zugeben, daß er Vida Cox’ Körper nur von hinten gesehen hatte. »Weil sie mit dem Gesicht zur Tür gelegen hat. Aber ich weiß, daß sie ermordet worden ist, denn ich habe gehört, wie Ben Wilkie mit der Polizei telefoniert und gesagt hat, sie wäre erdrosselt
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