Das Raetsel der Liebe
jetzt mit mir nach Hause«, sagte Alexander, als sie auf die Straße hinaustraten.
Der unerbittliche Ton in seiner Stimme verursachte ihr eine Gänsehaut.
»Alexander, hättest du deine Absichten nicht meiner Großmutter mitgeteilt, dann wären wir jetzt nicht in dieser Lage«, zischte sie. »Hättest du auf mich gehört, als ich das erste Mal ablehnte, dann …«
Plötzlich ging ein Kälteschauer durch ihren Körper, und ihre Stimme erstarb.
»Lydia?« Alexander blieb stehen. »Was ist denn los?«
Jemand lief von hinten gegen Lydia, und sie stolperte vorwärts. Ihr Blick blieb jedoch unverwandt auf den Rücken eines blonden Mannes geheftet. Er hatte kurz geschnittenes Haar, einen schlanken Hals und schmale Schultern und trug ein dunkles Jackett.
Sie schüttelte den Kopf.
Nein. Sei nicht töricht. Das kann doch nicht sein. Das ist ganz und gar unmöglich …
Der Mann drehte sich um. Sie keuchte erschrocken auf.
»Lydia?« Alexander fasste sie am Arm und drängte sich mit ihr durch die Menge der Passanten. Als sie wieder in der Eingangshalle waren, führte er sie in eine ruhige Ecke, weit weg von all den Leuten, die immer noch zum Ausgang strömten. »Lydia, was ist los? Du bist ja kreidebleich.«
Sie schluckte mehrmals, wobei sie ihre Augen suchend über die Menschenmenge schweifen ließ. Er war weg.
»Alexander, würdest du … mir bitte ein Glas Wasser holen? Ich fühle mich nicht ganz wohl.«
Er machte nicht den Eindruck, als wolle er sie allein lassen. »Komm lieber mit.«
»Es geht schon.« Lydia stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. »Bitte. Aber … beeil dich.«
Widerstrebend gab Alexander ihren Arm frei und machte sich auf den Weg. Als er verschwunden war, blickte sie hinüber zu den Türen.
Sie musste hier raus. Selbst, wenn sie sich alles nur eingebildet hatte, etwas gesehen hatte, was gar nicht da gewesen war … sie musste unbedingt hier raus. Jetzt gleich. Sie holte tief Luft, drehte sich um und lief los.
»
Guten Tag
, Lydia.«
Sie unterdrückte einen Aufschrei.
»
Bitte setzen Sie sich
.« Er zog einen Stuhl heran und machte mit seiner schmalen, eleganten Linken eine einladende Geste.
Sie ignorierte das Angebot. Nicht, dass ihr nicht beinahe die Beine weggeknickt wären. Aber von diesem Mann wollte sie nichts annehmen, absolut gar nichts. Sie sah ihn nicht an, richtete den Blick stattdessen auf irgendeinen imaginären Punkt hinter seiner Schulter.
»Was … was tun Sie hier?«, fragte sie mit vor Entsetzen dünner Stimme.
»
Ich bin …
«
»Ich spreche kein Deutsch.«
Sie spürte sein Lächeln mehr, als dass sie es sah. Dann wechselte er in fließendes Englisch. »Ich nehme natürlich an dem Symposium teil. Ich bekam die Einladung letzten Monat.«
»Lydia.«
Eine wilde Mischung aus Erleichterung und Entsetzen machte sich in ihr breit, als Alexander quer durch die Lobby auf sie zukam. Sein Blick schoss zu dem anderen Mann, und sein Gesicht nahm einen harten Ausdruck des Widerwillens an, der eher rein instinktiv zu sein schien als rational begründet.
Alexander blieb neben Lydia stehen und reichte ihr ein Glas Wasser. Dann legte er seinen Arm um ihre Taille und zog sie entschlossen an seine Seite.
Lydia umklammerte das Wasserglas. »Danke … ich … würden Sie uns bitte einen Moment allein lassen, Mylord?«
Er runzelte die Stirn. »Ich denke nicht.«
»Bitte.«
»Ich bin Viscount Northwood«, sagte Alexander kalt zu dem anderen Mann. »Miss Kellaways Verlobter. Und Sie sind?«
Der Mund des Mannes verzog sich zu etwas, das entfernt einem Lächeln ähnelte. »Ich bin Dr. Joseph Cole. Miss Kellaway und ich sind alte Freunde.«
»Merkwürdig. Mir scheint es nicht so, als ob sie in Ihnen einen Freund sähe.«
»Alles in Ordnung, Northwood.« Lydia versuchte, ihre Stimme energisch klingen zu lassen. »Bitte gehen Sie.«
Sie hoffte inständig, er möge die dringende Bitte heraushören. Alexander zögerte, dann trat er zurück – ein winziges Stück. »Ich werde dort drüben warten.« Er deutete mit dem Kopf auf die gegenüberliegende Seite der Eingangshalle. Während er sich rückwärts dorthin zurückzog, wandte er den Blick keine einzige Sekunde von dem Mann neben ihr.
Lydia trank einen kleinen Schluck Wasser und stellte das Glas auf dem leeren Stuhl ab. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen, wandte sich um und sah Dr. Cole in die Augen.
Ihr Herz hämmerte gegen das steife Korsett. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Der analytische Teil ihres Gehirns
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