Das Raetsel der Liebe
hinter Lord Northwood her war … nun, dann konnte dies für alle Beteiligten nur von Nutzen sein.
Insbesondere für ihn selbst.
7
Jane ließ die Beine baumeln und betrachtete das dramatische Ölgemälde über dem Kamin. Es zeigte eine Tigerjagd. In der Flanke des Tieres steckte ein Pfeil, über sein Fell rann Blut, und das Gesicht war zu einer wütenden, fauchenden Fratze verzerrt. Jane mochte es ganz und gar nicht.
Sie schwang das andere Bein nach vorn und fragte sich, ob der Botenjunge wohl heute Morgen einen neuen Brief an Sophie übergeben hatte. Lydia hatte sie die ganze Zeit umhergescheucht und sie ermahnt, sich zu beeilen. Daher hatte sie keine Gelegenheit gehabt, unter vier Augen mit dem Dienstmädchen zu sprechen. Lydia legte ihrer Schwester eine Hand aufs Bein, um das nervöse Gezappel zu beenden. Jane atmete hörbar aus und nahm sich noch ein Stück von dem Kuchen, den man ihnen zusammen mit dem Tee serviert hatte. In einer Ecke des riesigen Salons stand Mr Halls Klavier. Es war schwarz und so blitzeblank poliert, dass sie vermutlich ihr Spiegelbild darin erblicken würde, ginge sie näher heran. Was, wenn sie Abdrücke auf den Tasten hinterließ?
Sie wischte sich die Hände an ihrem Rock ab. Erst war sie in der Kutsche eines Viscounts gefahren, und jetzt saß sie hier, im Salon eines Earls, und wartete auf ihre erste Klavierstunde bei dessen Sohn.Ganz schön viel für eine Woche.
Sie blickte Lydia an. »Wo hast du es gefunden?«
»Was?«
Jane deutete auf das Notizbuch in Lydias Schoß. »Ich dachte, du hättest es verloren … äh, ich meine verlegt.«
»Ich habe es von … nun, ich hatte es irgendwo vergessen und es wurde mir zurückgegeben. Glücklicherweise.«
»Tut mir schrecklich leid. Ich bin zu spät.« Die Tür flog auf, und herein kam schnellen Schrittes ein Mann mit ungekämmten dunklen Haaren und schief sitzender Krawatte. »Miss Kellaway? Sebastian Hall.« Er streckte die Hand aus. »Ich hoffe, Sie haben nicht allzu lange gewartet?«
»Ganz und gar nicht. Wir waren viel zu früh. Das ist meine Schwester Jane.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Miss Jane.« Er warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu. Sie fand es gut, dass er nicht so furchtbar bieder und korrekt zu sein schien. »Hatten Sie schon einmal Klavierunterricht?«
»Nein, Sir.« Sie rutschte unbehaglich hin und her. Plötzlich war sie gar nicht mehr so erpicht auf die Klavierstunden. Mr Hall schien sehr nett zu sein, doch dieser Raum hier war viel zu groß, viel zu nobel. Und dieses schreckliche Gemälde!
»Nun, ich hoffe, es wird Ihnen gefallen«, sagte Mr Hall.
»Ich schlage vor, wir gehen kurz das Programm und die Termine durch. Und danach können wir gleich anfangen.« Er sah zu Lydia. Die nickte, stand auf, und ging mit ihm hinüber ans Klavier.
Jane folgte ihnen leicht widerwillig. Mr Hall schlug ein Buch auf und begann, seine Musiktheorie zu erklären und was Jane in den ersten Wochen lernen würde.
Sie schaute wieder auf das Gemälde und musste an die Tiere denken, die sie im Zoo gesehen hatten. Warum in aller Welt sollte irgendjemand einen Tiger töten wollen?
Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befanden sich mehrere Fenster, durch die Sonnenlicht hereinflutete. Jane fragte sich, ob sie wohl auf den Garten hinausgingen.
Während Lydia und Mr Hall sich in eine Diskussion darüber vertieften, welche Bücher angeschafft werden mussten, erkundete Jane den großen Raum. Neben den Fenstern befand sich ein kleiner Alkoven mit einer niedrigen Tür, die vermutlich nach draußen führte. Dort standen mehrere Tische, darauf etliche Tabletts aus Metall. Sie waren voller Erde, aus der grüne Keimlinge sprossen. Jane trat näher, um die Pflänzchen zu betrachten.
Plötzlich öffnete sich die Tür, und ein groß gewachsener, breitschultriger Mann kam herein. Sein schwarzes Haar war grau gesprenkelt wie von Raureif. Er hielt den Kopf gesenkt und hantierte mit irgendeinem seltsamen Gerät. Als er aufblickte, gewahrte er Jane und runzelte verärgert die Stirn.
Sie zuckte zusammen. Das musste der Earl sein! Das Gesicht des Mannes war ernst und hart, um Augen und Mund hatte er tiefe Falten.
Jane stand wie erstarrt. Ihr Herz hämmerte.
»Wer bist du denn?«, wollte eine tiefe, fordernde Stimme wissen.
»Er … Jane Kellaway, Sir … Mylord. Mr Hall gibt mir Klavierunterricht.«
»Und was tust du dann
hier
?«
»Mr Hall … er bespricht gerade alles Nötige mit meiner Schwester.«
»Nimmt sie auch
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