Das Rätsel der Templer - Roman
hat.«
Hannah spürte, dass Tom protestieren wollte. Sie fasste ihn am Arm, bevor er etwas sagen konnte.
»Ich denke, das ist eine gute Entscheidung, und was die Kosten angeht, da werden wir uns schon einig. Schließlich können wir
deinen Freund ja nicht einfach sich selbst überlassen, nicht wahr?« Sie nickte Tom aufmunternd zu.
»Sicher hast du recht«, murmelte er vor sich hin.
»Gut.« Senta machte sich an ihrer Tasche zu schaffen. »Ich werde einen entsprechenden Einlieferungsschein fürs Krankenhaus
ausfüllen, da können wir ja einen von euch als Kostenträger eintragen, damit die auch beruhigt sind. Oder hat er sonst noch
Angehörige, die für ihn aufkommen könnten?«
»Nicht das ich wüsste …« Tom setzte eine angespannte Miene auf.
»Wie ist denn der Name deines Freundes?« Senta schaute Tom fragend an.
Stille. Hannah sah die Unentschlossenheit in Toms Miene. Er schien sich die Frage zu stellen, ob er den Namen, den er den
Papieren entnommen hatte, benutzen sollte oder ob es sich als besserer Schachzug erweisen würde, wenn er einen irgendeinen
anderen Namen nannte.
Zögernd antwortete er: »Gera …«
|254| »Er heizet schevelier Gêrard von Breydenbache.« Die Stimme zitterte leicht und klang kindlich, aber sie war nicht zu überhören.
Der Junge hatte sich zu voller Größe aufgerichtet und schaute entschlossen in ihre Richtung. Ihm war deutlich anzumerken,
dass er seinen ganzen Mut hatte aufbringen müssen, um etwas zu sagen.
»He? Wer bist du denn?« Senta sah den Jungen erstaunt an. »Dich hab ich glatt übersehen«, sagte sie lächelnd. »Wie ist denn
dein Name?«
Senta stand auf und wandte sich dem Jungen mit einer einladenden Miene zu. Offensichtlich dachte er jedoch nicht daran, ihrer
Aufforderung nachzukommen.
Er blieb weiterhin stocksteif stehen und beantwortete ihre erste Frage mit einem feierlichen Unterton.
»Ich heize Matthäus von Brûche. Mîn ôheim ist der hêrre von Our.«
Tom verschluckte sich augenblicklich und fing zu husten an. Hannah klopfte ihm geistesgegenwärtig den Rücken. Sie war selbst
erstaunt darüber, dass der Junge in der Lage war, zumindest Teilen ihrer Unterhaltung zu folgen. Geantwortet hatte er zweifelsfrei
in Mittelhochdeutsch.
»Kommst du hier aus der Gegend?« Sentas Blick wanderte über die verschmutzte Kleidung des Jungen, einen dunkelbraunen Wollüberwurf
mit Kapuze und eine weite Hose.
»Ist das sein Vater?« Senta schaute zu Tom auf, der bereitwillig antwortete, um dem Jungen zuvor zu kommen.
»Nein, das ist der Sohn seiner Ex-Freundin. Sie ist zurzeit … verreist, und er … betreut das Kind in der Zwischenzeit.«
Hannah verschlug soviel Dreistigkeit die Sprache, aber ihr war auch klar, dass es keine andere Möglichkeit gab, die Situation
wieder in den Griff zu bekommen.
»Hannah wird sich um dich kümmern«, versuchte Senta den Jungen aufzumuntern. »Sie wird deine Mutter anrufen und dafür sorgen,
dass es dir gut geht.«
»Mîne môder ist dôd«, antwortete der Junge.
Toms Augen nahmen einen bedrohlichen Ausdruck an, der dem kleinen Kerl zu verstehen gab, dass es ab sofort angeraten war,
den Mund zu halten. Ängstlich und wie ein Häufchen Elend ließ der Junge |255| sich auf dem Boden nieder, dabei wagte er es nicht mehr, in Toms Richtung zu schauen.
»Hattest du nicht gerade gesagt, seine Mutter sei verreist? Oder hab ich da jetzt was falsch verstanden?« Senta wandte sich
leicht verstört an Tom.
Tom wusste nicht, was er antworten sollte, und überlegte einen Moment zu lange.
»Die Familienverhältnisse sind wohl etwas verworren«, kam Hannah ihm zur Hilfe.
»Scheint so«, erwiderte Senta, dabei sah sie den Jungen mitfühlend an. »Obwohl ich es für sehr bedenklich halte, wenn sie
anscheinend
so
verworren sind, dass ein Kind nicht mehr unterscheiden kann, ob seine Mutter tot oder verreist ist. Außerdem sollte sich dringend
jemand darum kümmern, dass das arme Kerlchen ein vernünftiges Deutsch lernt, sonst wird er in der Schule Probleme bekommen
und es nicht weit bringen.«
Senta griff zu ihrem Mobiltelefon und tippte eine Nummer ein.
»Ist dort das Sankt Agnes Krankenhaus? Hier ist Doktor Scheuten. Ich habe einen Rettungstransport anzumelden.«
Tom bedeutete Hannah, dass sie ihm kurz in den Flur folgen sollte. Draußen zischte er im Flüsterton: »Na prima und was machen
wir jetzt?«
»Das darfst du mich doch nicht fragen«, giftete sie leise zurück. »So konnte es ja auch
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