Das Rätsel der Templer - Roman
andächtig.
Tom schüttelte ratlos den Kopf.
»Es ist ein Trierer Turnusgroschen. Als mein Vater noch lebte, hat er mir des Öfteren seine Münzsammlung gezeigt.« Hannah
hielt das funkelnde Silberstück näher zum Kerzenlicht hin. »Diese hier gab es zum Beispiel nur ganz kurz zu Beginn des vierzehnten
Jahrhunderts.«
Sie legte die Münze beiseite und nahm eine weitere in die Hand, die sie ebenso eingehend betrachtet.
»Und das hier«, dozierte sie weiter, »ist eine französische Turnose aus der Zeit Philipps IV. von Frankreich.«
»Beeil dich«, mahnte Tom unbeeindruckt und mit einem Seitenblick auf die Uhr. »Wirf mal einen Blick in das Buch, vielleicht
können wir noch vor Eintreffen deiner Freundin herausfinden, was für ein Kerl da in deinem Bett liegt.«
Gemeinsam mit Tom blätterte Hannah das kleine Buch durch. Im Schein des fünfarmigen Kerzenleuchters strichen ihre Hände sacht
über die dicht beschriebenen Seiten. Filigran gezeichnete Wappen wechselten mit sauber verfassten Randbemerkungen. Die Schrift
war zwar klein, aber überraschend gut leserlich und ausschließlich in Latein geschrieben. Zwischen Buchdeckel und letzter
Seite befand sich ein zusammengefaltetes Stück Pergament. Hannah klappte es auseinander und legte es auf die Kommode.
»Kannst du das lesen?«, fragte Tom unsicher, der sich an den Fund altägyptischer Schriften erinnert fühlte.
»Ich kann es versuchen«, erwiderte sie, und wie zur Entschuldigung fügte sie hinzu: »Meine letzte Lateinstunde liegt eine
Weile zurück.«
Zwei Wortkombinationen tauchten mehrmals auf, darunter der Name
Gerard de Breydenbache
, das andere war
Ordo Militie Hierosolimitanis
. Dann gab es noch mehrere Daten in römischen Zahlen. Ein Datum stand in direkter Kombination zum Namen des Mannes. Vermutlich
handelte es sich um sein Geburtsdatum.
|250| »Soweit ich das entziffern kann, ist er geboren am Hochfest der Verkündigung des Herrn an Maria im Jahre nach der Fleischwerdung
des Herrn 1280.«
»Sag bloß, du weißt, welcher Tag das sein soll?« Tom blickte fragend auf.
»Hier geht es noch weiter«, sagte sie, ohne auf seine Frage einzugehen. Im zwielichtigen Kerzenschein folgte ihr Finger langsam
der geschwungenen, sauberen Linie. Am unteren Ende des Schreibens war neben einem Ortsnamen ein weiteres Datum vermerkt. »Datum
Nicosie anno incarnationis Redemptoris nostri millesimo tricentesimo primo, festo Joannis baptistae«, las Hannah vor.
«Und was hat das zu bedeuten?«
»Das bedeutet …« Hannah fuhr sich mit ihrer Zungenspitze konzentriert über die Lippen. »… gegeben in Nicosia im Jahr der Menschwerdung
unseres Erlösers 1301, am Fest Johannes des Täufers … und hier ist noch eine Unterschrift …« Wie hypnotisiert verfolgte ihr
Blick die geschwungene Schrift. »… Bartholomäus de Chinsi, steht da …«
Dicht daneben befand sich ein Siegelabdruck mit zwei Reitern auf einem Pferd und einem Kreuz, ähnlich dem auf dem Mantel.
»Nicosia«, sagte Tom und sah fragend auf. »Das liegt auf Zypern. Wie kommt so einer nach Zypern?«
»Wenn das alles zutrifft, was hier steht, wäre er den Papieren nach ein Tempelritter, dessen Aufnahme in den Orden im Jahre
1301 in Zypern stattgefunden hat«, flüsterte Hannah und drehte sich fasziniert zu dem Bewusstlosen um.
»Dass er ein Tempelritter sein soll, hat Paul auch schon vermutet«, erwiderte Tom mit einem selbstverständlichen Nicken. Bevor
er weiter sprechen konnte, hörten sie einen Wagen auf den Hof fahren. Das musste Senta sein. Hastig nahm Tom die Papiere und
das Bündel mit den Kleidern und schob den gesamten Haufen unters Bett.
Hannah warf einen Blick auf den Jungen, bevor sie zur Tür ging, um zu öffnen. Er saß nur da und starrte wortlos zu Boden.
»Wie sollen wir all das Senta erklären?« Sie warf Tom einen fragenden Blick zu.
»Keine Ahnung, mir wird schon was einfallen.«
|251| »Der Strom ist weg«, meinte Hannah entschuldigend. Mit einem Kerzenleuchter in der Hand versuchte sie, ihre Freundin an der
Haustür zu umarmen.
Die modisch uninteressierte Ärztin mit dem haselnussbraunen Zopf roch wie üblich nach Desinfektionsmittel. Anscheinend war
sie direkt aus ihrer Praxis gekommen, ohne sich noch einmal umzuziehen.
»Bei uns geht auch nichts«, antwortete Senta und hauchte ihr umständlich einen Kuss auf die Wange. »Du glaubst ja gar nicht,
was auf der Straße los ist! Bei den Amerikanern in der Nähe des Klosters ist eine Halle in
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