Das Rätsel der Templer - Roman
knappe ez sô wünschet.«
Erleichtert registrierte Hannah, dass Matthäus’ leidenschaftliche Fürbitte ihre Wirkung nicht verfehlte. Großmütig lockerte
sein Herr den Griff, und unter einem verächtlichen Schnauben ließ er schließlich ganz von ihr ab.
Hannah konnte kaum atmen. Sie schleppte sich zur Terrassentür, um frische Luft zu schnappen.
Als ob er ihre Absicht zu fliehen erahnte, baute der Kreuzritter sich dicht hinter ihr auf. Sein heißer Atem streifte ihren
Nacken.
»Gedenke, daz du ni enkannst entrinnen, ê du hâst antwurtet ûf mîne vrâgen«, raunte er.
Dann packte er sie erneut am Arm, riss sie herum und drückte sie mit ihrem Rücken gegen die Wand. Dabei presste sich sein
Rippenbogen unangenehm gegen ihre Brust. Um ihm in die Augen zu schauen, musste sie ihren Kopf in den Nacken legen. Auffordernd
hob er seine perfekt geformten Brauen.
Sie nahm all ihren Mut und ihr Wissen zusammen und versuchte einen halbwegs vernünftigen Satz zu stammeln.
»Ich entrage dechainu schult an iuwere situazion, ich ne enkan nichtes davür, dass iur hie sît unde ich ne enweiß nichtes,
wie unde wârumbe iur hie hingekummen sît.« Sie verschluckte sich beinahe an ihren eigenen Worten, so aufgeregt war sie.
Er blickte sie verdutzt an, und während er seinen Griff deutlich lockerte, rückte er ein Stück weit von ihr ab, so dass sie
wieder normal durchatmen konnte.
|314| »Warumbe sprichest du sô seltsænelîche?«
O Mann, sollte sie ihm jetzt die Geschichte mit der Zeitreise auftischen? Ihre Verzweiflung war Verärgerung gewichen. Ungelenk
drängte sie ihn zur Seite, was er sich in seiner offensichtlichen Verblüffung gefallen ließ, und ging zur Kommode. Dort lag
außer seinen Sachen auch noch ein alter Apothekenkalender.
Aber schon auf dem Weg dorthin hatte sie Zweifel, ob ihn diese Botschaft überhaupt erreichen konnte. So wie es aussah, gehörte
er wirklich zum Orden der Templer, und obwohl es der reinste Wahnsinn war, wenn sie darüber nachdachte, war er siebenhundert
Jahre älter als sie. Leider hatte sie es in der ganzen Aufregung versäumt, sich zu überlegen, wie sie dem Mann erklären sollte,
was ihm zugestoßen war.
Mit einer auffordernden Handbewegung winkte sie ihn zu sich heran. Als er neben ihr auftauchte, deutete sie auf die Zahlen
und die Worte, die auf dem Kalender standen. Vorher vergewisserte sie sich, dass er mit seinen Blicken ihrem Zeigefinger folgte.
»Da! Siehst du?«, sagte sie fast triumphierend. Ohne lange zu überlegen, hatte sie ebenfalls auf dieses befremdliche »Ihr«
verzichtet. »November 2004!«
Er schaute sie an, als ob sie den Verstand verloren hätte. Sie nahm seinen Lederbeutel, der auf der Kommode lag, und wollte
ihn öffnen, um ihn anhand der Dokumente daraufhin hinzuweisen, dass er aus dem Jahr 1307 stammte und ihm damit den Unterschied
zum Jahr 2004 klar zu machen. Als er bemerkte, was sie vorhatte, umklammerte er ihre Hand mit eisernem Griff und zog sie von
dem Beutel weg. Sein Blick war finster und unmissverständlich. Er billigte es offenbar nicht, dass sie sich an seinen Sachen
vergriff. Hannah hoffte ängstlich, dass er nicht auf die Idee kam, den Beutel selbst zu öffnen und festzustellen, dass sie
seine Habseligkeiten bereits untersucht hatte.
Doch plötzlich schob er sie zur Tür und forderte sie mit Nachdruck auf, das Zimmer zu verlassen. Im Augenblick gab es nichts,
was sie lieber getan hätte, und so folgte sie seiner Aufforderung eher erleichtert denn widerwillig.
Hannah ging in die Küche, nahm ein Glas aus dem Schrank und füllte es randvoll mit dem teuren Cabernet Sauvignon, der noch
vom Samstag übrig geblieben war, als sie zusammen mit Tom fast zwei Flaschen |315| davon getrunken hatte. Sie zitterte so sehr, dass sie das Glas mit beiden Händen halten musste, um es an ihre bebenden Lippen
führen zu können.
Momente später hörte sie Geräusche. Als sie in den Flur trat, wäre sie fast mit dem Templer zusammengestoßen. Aufrecht stand
er da, vollständig angezogen – so wie er hier erschienen war, nur dass sein Mantel mit dem roten Kreuz auf der Schulter –
frisch gewaschen und gebügelt – ihm nun eine beachtliche Würde verlieh Der lange Dolch, den er an seinem Messergürtel darüber
trug, fiel ihr sofort ins Auge.
Gero konnte seiner Gastgeberin ansehen, dass sie sich vor ihm fürchtete. Einen Augenblick genoss er seine Überlegenheit. Doch
es hatte keinen Nutzen, diesen Umstand
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