Das Rätsel der Templer - Roman
nicht näher erläutern, weil er befürchtete, sie
könnten abgehört werden, wenn das Gespräch zu lange dauerte.
In jedem Fall war es Tom unter diesen Umständen kaum möglich, sich um die beiden unfreiwilligen Zeitreisenden zu kümmern.
Vorübergehend hatte er sich mit Paul in dessen Junggesellen-Apartment in Vianden eingenistet. Seit gestern Nachmittag parkten
verschiedene Fahrzeuge vor der Haustür seines luxemburgischen Kollegen, ständig mit zwei Männern besetzt, die sich nur für
einen Wachwechsel entfernten. Falls Tom das Haus verlassen wollte, etwa um Hannah aufzusuchen, konnte dies nur auf Schleichwegen
geschehen. Tom vermutete, dass die National Security Agency dahinter steckte. Amerikanischer Auslandsgeheimdienst, wie er
ihr erklärte. Technisch perfekt ausgerüstet, entging den Agenten nicht mal das Husten einer Fliege.
Also musste Hannah mit ihren Besuchern zunächst alleine zurechtkommen.
Gepeinigt von Zweifeln, ob sie dieser Anforderung überhaupt gewachsen sein würde, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Auf dem
Weg zur Haustür ordnete sie sich vor dem kleinen Wandspiegel im Flur hastig ihr dunkelrotes, langes Haar und strich sich prüfend
den hellgrünen Wollstoff über ihren sanft gerundeten Hüften glatt.
»Wo sollen wir ihn hinbringen?«, keuchte einer der Sanitäter nach einer kurzen Begrüßung, die nur aus einem Nicken bestand.
Der Templer lag ruhig, die Augen geschlossen, auf der Trage. Er trug den schwarzen Jogginganzug, den sie für ihn abgegeben
hatte, und war immer noch festgeschnallt. Vielleicht hatten Hannahs Beschwörungen doch etwas genützt, oder man hatte ihm vor
dem Transport eine Beruhigungsspritze gegeben.
|310| »Ich gehe voraus«, antwortete sie und geleitete die beiden Sanitäter durch den kleinen Flur ins Schlafzimmer. Alles war vorbereitet
– so gut es eben ging. Sie hatte sich entschieden, ihren neuen Gast im Parterre unterzubringen, damit er ohne Probleme den
Weg zur Toilette und zum Badezimmer fand. Der Junge würde derweil oben im Gästezimmer schlafen, und sie selbst wollte auf
der Couch im Wohnzimmer campieren, bis sich eine andere Lösung fand.
Die Sanitäter setzten die Trage auf einem halbhohen Gestell neben Hannahs Bett ab und lösten die Klettverschlüsse.
»Kann er aufstehen?« Hannahs Blick strich nervös über den anscheinend Bewusstlosen.
»Machen Sie sich keine Gedanken, das kriegen wir schon hin.« Der begleitende Arzt, ein Mann von etwa Mitte Fünfzig mit grauem
Bart, musterte neugierig das ungewöhnliche Kleidungsstück, das eine der Schranktüren verdeckte. Um ihren neuen Hausbewohner
positiv zu stimmen, hatte Hannah dessen eindrucksvollen Mantel frisch gewaschen und gebügelt an die Schrankwand gehängt. Den
wattierten Pullover und das ebenfalls aufgerissene, lange Leinenhemd hatte sie noch am Abend zuvor geflickt. Zusammen mit
dem Kettenhemd und den gepanzerten Lederhandschuhen hatte sie die übrigen Kleidungsstücke sorgfältig gefaltet auf der Kommode
ausgelegt. Und auch seine handgearbeiteten Stiefel standen geputzt davor. Selbst den Messergürtel mit dem Dolch hatte sie
nicht vergessen, ihn aber vorsichtshalber unter den Kleidern versteckt.
Der Arzt wandte sich seinem Patienten zu. »Hallo, können Sie mich hören? Wir sind da, Sie können jetzt aufstehen – geht das?«
Der Templer blinzelte. Tatsächlich fiel sein erster Blick auf den Mantel, und schneller, als es einer der Anwesenden erwartet
hätte, schwang er sich hoch. Dann jedoch geriet er ins Schwanken und hielt sich den Kopf.
Hannah fasste ihn am Ellbogen und geleitete ihn zum Bett. Zu ihrer Überraschung ließ er sich diese Geste der Hilfsbereitschaft
ohne Murren gefallen.
Obwohl er nur auf Socken ging, war er ein gutes Stück größer als sie selbst.
Plötzlich tauchte Matthäus auf. Er stürzte, ohne auf die umherstehenden |311| Männer zu achten, zu seinem Herrn und umarmte ihn so heftig, dass der Templer für einen Moment ins Wanken geriet. Dabei vergrub
der Junge sein Gesicht an dessen breiter Brust und begann unvermittelt zu schluchzen.
Mit zitternden Händen zog der Fremde den Jungen an sich und hielt ihn fest. Er schloss die Augen, und küsste das Kind innig
auf die blonden Locken.
»Äh …«, räusperte sich der Arzt, während er zu Hannah hinblickte, der vor lauter Rührung Tränen in den Augen standen. »Wir
wären dann soweit, wenn Sie mir bitte noch die Bescheinigung für die Abrechnungsstelle unterzeichnen
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