Das Rätsel der Templer - Roman
geworden«, sagte er, ohne nachzudenken.
»Eine Freundin?« Seine Mutter lächelte wissend. »Hat sie dich in ihr Bett gelassen?«
Gero schoss das Blut in die Wangen. »Wie Ihr wisst, gehöre ich einem Ritterorden an«, erwiderte er mit einiger Entrüstung
in der Stimme.
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Bitte«, gab er leise zurück, wobei er die Hände seiner Mutter ergriff. »Lasst mich ziehen. Ich möchte Euch nicht belügen.«
»Das könntest du auch gar nicht«, erwiderte sie mit einem wehmütigen Lächeln. Mehr aus dem Augenwinkel heraus sah sie zu Hannah
hin, die immer noch unschlüssig in einem Torbogen stand. »Liebst du sie?«
Gero schaute verlegen zu Boden. »Ja«, flüsterte er.
»Ich werde jeden Tag für euch beten.« Seine Mutter schaute ihn fürsorglich an. »Auf dass euch kein Leid widerfährt. Denk stets
daran!«
»Es kann losgehen«, sagte eine dunkle Stimme aus dem Hintergrund. Geros Vater war auf den Hof hinaus getreten.
Gero nickte. Nur schwer konnte er den Blick seiner Mutter ertragen. Wie um sich selbst davor zu schützen, wandte er sich schließlich
ab und ging zu Hannah hinüber. Förmlich bot er ihr den Arm, um sie zu den Stallungen zu führen.
|597| Richard von Breydenbach begleitete den Tross, zusammen mit seinem ältesten Sohn und Roland von Briey, bis zu jenem abgelegenen
Lehenshof, wo Gero und seine Freunde sich in fahrende Spielleute verwandeln würden. Doch anders als die üblichen Gaukler und
Troubadoure waren sie heimlich bis an die Zähne bewaffnet und ohne weiteres in der Lage auch einen härteren Zweikampf zu bestehen.
Unter der schmerzlichen Gewissheit, dass sie diesen Ort, so wie er war, vermutlich nicht wieder sehen würde, warf Hannah einen
letzten Blick zur Burg.
Struan, der dicht vor ihr vom Hof hinunter auf die Straße ritt, saß mit hängenden Schultern auf seinem schwarzen Streitross.
Seine Miene war wie versteinert. Seine schwangere Freundin legte offenbar keinen Wert darauf, sich ein letztes Mal von ihm
auf dem Hof zu verabschieden. Hannah beobachtete, wie Gero seinen Percheron antrieb und zu dem finster dreinblickenden Schotten
aufschloss, um ihm im Vorbeireiten voller Mitleid auf die Schulter zu klopfen.
Ihr Weg führte sie durch ein zerklüftetes Tal, dann auf eine staubige Landstraße hinaus, die von abgeernteten Feldern gesäumt
wurde. Über allem lag ein dichter Morgennebel, und nur das dumpfe Klopfen der Hufe und das Krächzen der Krähen durchbrach
die gespenstische Stille. Hannah begann sich daran zu gewöhnen, dass man hier jeden weiteren Weg zu Pferd zurücklegen musste,
wenn man vorankommen wollte, und tätschelte ihrer braven Stute den Hals. Plötzlich tauchte ein weiterer, steingrauer Pferdekopf
neben ihr auf. Mit einem herrischen Schnauben forderte der imposante Jütländer ihre Aufmerksamkeit. Hannah, ganz in Gedanken
versunken, erschrak, und erst als sie aufsah, bemerkte sie den Reiter des herrlichen Kaltblüters. Es war Johan van Elk, der
ihr einen interessierten Blick zuwarf.
»Ik wollt di neit schricken«, sagte er mit einem gewissen Bedauern in der Stimme. »Ik heff di blôt etewaz vragen wellen.«
Hannah lächelte ihn tapfer an. Obwohl er einen eigentümlichen Dialekt sprach, der sich von Geros Moselfränkisch unterschied,
konnte sie ihn zumeist recht gut verstehen.
»Nur zu«, erwiderte sie mit einem aufmunternden Nicken, dass ihm die Scheu nehmen sollte, die er trotz seiner martialischen
Erscheinung zumeist an den Tag legte, wenn er ihr allein begegnete.
|598| »Ich wüsste gerne, ob es dir bei uns gefällt?«, fragte Johan leise, während er sich prüfend umschaute, um sich zu vergewissern,
dass niemand ihre Unterhaltung belauschen konnte.
»Wie meinst du das?«, fragte sie überrascht.
»Nicht die verzwickte Lage, in der wir uns befinden, die kann niemandem gefallen«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Ich meine
… ist es sehr viel anders, da wo du herkommst … in der Zukunft.«
»Ein wenig«, antwortete sie diplomatisch.
Seine Lider verengten sich. »Ich wünschte, ich könnte es mir vorstellen«, sagte er leise.
»Es ist bestimmt nicht so schön wie das, was du kennst«, begann Hannah, um seine Neugier halbwegs zu befriedigen. »Diese göttliche
Ruhe hier ist einzigartig. Und die vielen verschiedenen Tiere. Bei uns sind die Schweine fast nackt. Die Auerochsen sind ausgestorben,
Wölfe und Bären gibt’s nur noch in einsamen Gegenden oder eingesperrt in einem
Weitere Kostenlose Bücher