Das Rätsel der Templer - Roman
einer kerzengraden Haltung vor ihnen aufbaute, um sie in die Tagesbefehle einzuweisen.
In einer militärischen Anordnung übertrug er Anselm die Bewachung der Frauen. Matthäus sollte für Wagen und Tiere Sorge tragen,
solange Gero und seine Kameraden abwesend sein würden.
Nach einem kargen Frühstück bestehend aus Hartkäse, trockenem Roggenbrot und im Kessel gewärmten Chinonwein eröffneten Gero
und seine Mitbrüder die Jagd auf einen harmlosen Mönchsbruder, dessen Beichtmission auf der Festung von Chinon so ganz anders
verlaufen sollte als ursprünglich vorgesehen.
Zu gerne wäre Anselm dabei gewesen, wenn die drei Templer sich des ahnungslosen Mannes bemächtigten, von dem angenommen werden
durfte, dass er allein unterwegs war.
Schweigend verteilte Johan die Schwerter an Gero und Struan, und ein jeder von ihnen legte über dem Wams ein Kettenhemd an,
bei dessen Schnürung sie sich gegenseitig, und ohne ein Wort darüber zu verlieren, zur Hand gingen.
|643| Nachdenklich blickte Anselm hinter den drei Männern her, als sie leicht gebückt, im Laufschritt und doch lautlos, im dichten
Frühnebel verschwanden, die Schwerter samt Gurte unter die Arme geklemmt.
»Wenn der Benediktiner zum Frühessen auf der Festung sein will, sollte er sich beeilen«, knurrte Struan, der wie die anderen
zwischen Ginstersträuchern und Brombeerbüschen versteckt bäuchlings in einem seichten Graben ausharrte.
»Wenn er nicht bald auftaucht, friert mir mein kostbarstes Stück ab«, stöhnte Johan.
»Stell dich nicht so an«, grunzte Struan. »Schlimmer wird es, wenn Philipps Soldaten uns erwischen. Ich habe gehört, dass
die Schergen der Inquisition einem die Eier rösten, damit man das Maul aufmacht.«
»Leise«, mahnte Gero, als Johan antworten wollte.
Den Blick gebannt auf eine Weggabelung gerichtet, konnten die Männer schon von weitem sehen, dass sich jemand über den Hauptweg
näherte. Die schmale Straße war an manchen Stellen durch Holzplanken und Steine verstärkt worden, damit der Reisende im Sommer
nicht im Morast versank, und so kündigte ein leises Trappeln das Herannahen eines Wanderers an, der vor sich hin pfiff wie
ein ängstlicher Knabe, den man zum Weinholen in einen finsteren Keller geschickt hat.
»Fertigmachen, Kameraden«, zischte Gero. »Wo ist der Sack?«
Johan reichte Gero einen Jutesack, der so groß und zudem fest gewebt war, dass man leicht einen Menschen hinein stecken konnte.
Gleich fünf davon hatte Gero beim örtlichen Leichenbestatter gekauft.
Aus einem Augenwinkel heraus sah Johan, wie Struan seinen Oberkörper aufrichtete und einen schweren Eichenknüppel von seinem
Gürtel zog. »Soll ich das nicht besser machen«, fragte er mit einem Stirnrunzeln. »Wenn
du
zuschlägst, wird er’s wohl nicht überleben.«
»Keine Sorge«, murmelte Struan mit einem schwachen Grinsen. »Ich werde ihn freundlicher behandeln als unsere Kaninchen zuhause.«
»Dürfte kein Problem werden«, bestätigte Gero flüsternd, während er sich sprungbereit durch das Gebüsch schob. »Der Mönch
ist zwar groß, aber schmächtig.«
|644| »Ist er allein?«, fragte Johan, weil Geros breite Schultern ihm die Sicht verstellten.
»Falls du einen ausgewachsenen Esel nicht als Gesellschafter ansiehst, ja – dann ist er allein«, antwortet Gero mit einem
amüsierten Zucken in den Mundwinkeln.
Johan rieb sich belustigt die Nase. »Wenn ein Esel unseren Plan vereitelt, sollten wir uns fragen, ob wir der richtigen Berufung
gefolgt sind.«
Bruder Julian hatte bereits viereinhalb Stunden Fußmarsch hinter sich, und der Esel, den er mit sich führte, war nicht bereit,
zu den mit Kohlköpfen gefüllten Säcken auch noch einen Reiter auf seinem Rücken zu dulden. Und so war der junge Mönch viel
zu erschöpft, um zu bemerken, dass man ihm auflauerte.
Der heftige Schlag auf den Hinterkopf schickte ihn augenblicklich in die Dunkelheit.
Sein vierbeiniger Begleiter war allerdings nicht bereit, sich so leicht zu ergeben. Er scheute und versuchte auszubrechen,
und als Gero harsch an der Trense riss, bekam der Templer unvermittelt das Gebiss des Grautiers zu spüren.
»Verdammtes Mistvieh«, fluchte er.
Im nächsten Moment trat der Esel aus und hätte beinahe Struan außer Gefecht gesetzt, doch der Schotte wich rechtzeitig aus
und packte die empfindlichen Ohren des Esels, um sie nach hinten zu drehen. Sofort erstarrte das Tier und schaute ihn mit
weit aufgerissenen Augen
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