Das Rätsel der Templer - Roman
etwas Passendes zu erwidern. Stumm ließ sie es
zu, dass er nach draußen ging und das Gespann in Bewegung setzte.
|636| Mit dem Burgvogt hatte Gero vereinbart, dass er am nächsten Tag nochmals zur Festung kommen würde, um den Lohn des Abends
in den Gemächern des Verwalters entgegenzunehmen. Somit würde sich eine Möglichkeit ergeben, die Festung nochmals bei Tageslicht
zu inspizieren.
Im
Ad Stellam
ging es bei ihrer Rückkehr hoch her. Nach der Vorstellung der Spielleute hatten einige Blauröcke ihren ersten Freigang nach
Wochen genutzt, um sich in dem einschlägig bekannten Etablissement zu amüsieren. Mit einiger Vorsicht näherten sich Gero und
seine Begleiter der Herberge.
»O Gott«, flüsterte Hannah entsetzt, nachdem sie den Wagen im Hinterhof abgestellt und sich mit Freya zum Vordereingang des
Hauses begeben hatten. Im Schein der flackernden Fackeln konnte sie in der Gaststube ihren Peiniger erkennen, der mit einem
blonden Mädchen schäkerte.
Freya erfasste sofort, welche Gefahr ihnen drohte, und zerrte Hannah in den Hinterhof zurück. »Wir haben etwas vergessen«,
rief sie Gero zu, der Struan die Versorgung der Pferde überlassen hatte und nun voran eilte, um nach Anselm und Matthäus zu
sehen. »Wir sind gleich bei euch.«
»Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Hannah mit bebender Stimme. »Was ist, wenn uns die Soldaten erkennen?«
»Bleib ruhig«, zischte Freya. »Solche Häuser haben immer einen Hinterausgang. Wir werden uns an ihnen vorbeimogeln. Nicht
auszudenken, wenn unsere Templer auf diese beiden Idioten treffen.«
Die Begine ergriff Hannahs Hand und zog sie in die Dunkelheit zum hinteren Hauseingang. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Ein
großer, struppiger Wolfshund kam ihnen knurrend in dem schmalen Flur entgegen. Hannah pochte das Herz bis zum Hals. Sie hatte
eigentlich keine Angst vor Hunden, aber dies war ein besonders furchterregendes Exemplar.
Freya streckte dem Wolfshund mutig ihre Hand entgegen und sprach so beruhigend auf ihn ein, dass er aufhörte zu knurren und
sich sogar den Kopf kraulen ließ.
Einen Fuß geräuschlos vor den anderen setzend, schlich die Begine zusammen mit Hannah an der Küche vorbei, als plötzlich die
Tür zum |637| Schankraum aufgerissen wurde. Ein langer, dunkelhaariger Kerl torkelte angetrunken in Richtung Latrinen. Geistesgegenwärtig
erkannte Freya, dass es sich um Pierre handelte, ihren Verehrer von der Festung. Hastig schob sie Hannah in eine Nische, doch
ihr selbst gelang es nicht mehr, sich zu verstecken.
Als der Betrunkene ihr flammenrotes Haar sah, straffte er sich. »Schätzchen«, lallte er weinselig, »wusste ich doch, dass
du in den Stall von Madame Fouchet gehörst.« Als er nach ihr zu greifen versuchte, geriet er ins Torkeln.
Mit zwei Schritten schlüpfte Freya die Treppe hinauf. »Tut mir Leid«, säuselte sie, während sie lasziv am Geländer lehnte,
»Ich habe bereits Kundschaft.«
»Sag der Alten, dass sie selten so eine gute Flötenspielerin hatte wie dich«, nuschelte er trunken. »Beim nächsten Mal will
ich, dass du mir für eine ganze Nacht zur Verfügung stehst. Wenn nicht, wird es deiner Meisterin noch Leid tun.«
Seine Augen funkelten, und Hannah wagte in ihrem Versteck kaum zu atmen. Dann jedoch verschwand er, wahrscheinlich über den
Hof hinweg zu den Latrinen.
»Großer Gott«, stöhnte Hannah leise und huschte erleichtert zu Freya hin. »Das war knapp.«
»Nichts wie weg«, flüsterte Freya und fasste sie bei der Hand. Gemeinsam rannten sie die knarrenden, engen Stufen hinauf.
Ihr Zimmer lag im ersten Stock, direkt neben der Kammer von Anselm und Matthäus.
Man war übereingekommen, dass sie zusammen mit Johan und Gero in einem Zimmer nächtigten, während Struan zur Bewachung im
Wagen blieb. Im Schein einer flackernden Ölfunzel lächelte Freya und schaute Hannah an.
»Es wird Zeit, dass wir endlich in den Armen der Männer liegen, denen unser Herz gehört.«
|638| 39
Sonntag, 12. November 1307 – Rückzug in den Sumpf
Als Hannah erwachte, fielen die ersten Sonnenstrahlen durch den offenen Spalt der Fensterlade und blendeten sie für einen
Moment. Tastend fuhr ihre Hand über die knisternde Strohmatratze, dorthin, wo sie sich noch vor kurzem an Gero geschmiegt
hatte. Die Stelle war leer, und Hannah erinnerte sich flüchtig, dass er noch vor dem Morgengrauen aufgestanden war, um sich
den Rest der Nachtwache mit Struan zu teilen.
Ihr Blick fiel auf
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