Das Rätsel der Templer - Roman
einer Katastrophe. Anstatt im Jahre 1118 zu landen, strandeten sie im Jahre des Herrn 1148 in Jerusalem.
Mitten in der Wüste gerieten sie in eine feindliche Auseinandersetzung zwischen Templern und Sarazenen, und nur dem Umstand,
dass sie hellhäutig waren und die altfranzösische Sprache beherrschten, hatten sie es zu verdanken, dass das stark dezimierte
Templerheer sie aufnahm und vor dem sicheren Tod durch Verdursten bewahrte. In Jerusalem angekommen, mussten sie feststellen,
dass der Kontakt zur Basis ins Jahr 2151 abgebrochen war. Jeglicher Versuch der Rückkopplung war unmöglich. In der Hoffnung,
ihren Auftrag, die Welt verändern zu können, auch ohne Anleitung aus der Heimat zu bewerkstelligen, schlossen sie wie beabsichtigt
Freundschaft mit dem damaligen Templer-Meister von Jerusalem. Unerschrocken und wissbegierig hatte der weise Mann alles in
sich aufgesogen, was sie ihm an Informationen zur Verfügung stellen konnten, und wochenlang hatten er und seine engsten Vertrauten
in geheimen Kapiteln zusammen gesessen und darüber |697| beraten, was nun zu tun sei. Letztendlich hatte die Vernunft gesiegt und die Einsicht, dass die Welt, so wie sie zur damaligen
Zeit bekannt war, nur ein geringes Maß an Fortschritt vertrug. Die verantwortlichen Tempelherren waren sich durchaus darüber
bewusst, dass sie äußerst vorsichtig mit all den plötzlichen Errungenschaften umgehen mussten, um nicht schon jetzt als Ketzer
und häretische Teufel verschrien zu werden. Zug um Zug kam dabei ein noch viel unglaublicheres Geheimnis zutage. Schon einmal
hatte es unter den weiß gewandeten Kriegermönchen eine Begegnung mit Reisenden aus einer weit entfernten Zeit gegeben. Jedoch
gab es kaum Aufzeichnungen darüber, und man konnte auch nicht sagen, welchen Zweck diese Mission erfüllt hatte.
Unterdessen nahm das Bedürfnis der Gestrandeten, in ihre Welt zurückzukehren, unter all den Entbehrungen und den vermehrten
Angriffen von fatimidischen Truppen auf die Festung von Jerusalem beinahe paranoide Züge an. Die verzweifelten jungen Frauen
entschlossen sich, Botschaften zu verfassen, um diese als Grabbeigaben in Massengräbern zu hinterlegen, die für die viel zu
früh gefallenen Brüder des Ordens ausgehoben worden waren. Die Bemühungen der Frauen stützten sich auf die Hoffnung, dass
bei späteren Ausgrabungsarbeiten in hunderten von Jahren vielleicht jemand auf diese Nachrichten stieß, der in der Lage war,
eine entsprechende Vorrichtung zu bauen, um sie in die Zukunft zurückzuholen. Wie nah sie dieser Vermutung tatsächlich gekommen
waren, konnten nur Hannah und Anselm ermessen.
Abrupt, wie sie begonnen hatte, war die Vision zu Ende.
Selbst Arnaud de Mirepaux hatte es die Sprache verschlagen. Mit geöffnetem Mund saß er da und starrte seinen Komtur an, als
ob dieser geradewegs aus der Hölle aufgefahren wäre.
Henri d’Our räusperte sich, bevor er erneut zu sprechen begann. »Eines Tages waren die Frauen verschwunden«, sagte er ruhig.
»Ohne Abschied. Dafür hatten sie uns das Haupt der Weisheit hinterlassen. Mit einer Handlungsanweisung und einer gregorianischen
Losungshymne versehen, war der Orden fortan in der Lage, nicht nur komplizierte Informationen über zukünftige Ereignisse,
sondern auch über |698| diverse Erfindungen und Handelssysteme abzurufen. Zudem hatte man die Möglichkeit, mit Hilfe des Hauptes im Ernstfall in die
Vergangenheit zu gelangen. Jedoch gab es danach kein Zurück. Neben dem Haupt fand man das schriftlich gegebene Versprechen,
alles zu tun, um weiterhin eine Vernichtung des Ordens zum angekündigten Zeitpunkt zu verhindern.«
Nachdem der Komtur mit seinen Ausführungen geendet hatte, ergriff erstaunlicherweise Struan als erster das Wort. »Warum, frage
ich Euch?« Seine raue Stimme war leise, aber bestimmt, dabei schaute er den erschöpften Komtur durchdringend an. »Ihr wusstet,
dass man uns vernichten wollte. Und Ihr wusstet es nicht erst seit zwei Tagen – sondern mehr als ein Jahrhundert zuvor. Ihr
…« Struan schluckte, weil seine Stimme brach. »Ihr habt es trotzdem nicht für nötig gehalten, uns rechtzeitig zu warnen …
Ihr habt uns allesamt in eine Falle laufen lassen, wie ahnungslose Kaninchen, denen man anschließend gnadenlos das Fell über
die Ohren zieht.« Sein Mund nahm einen verächtlichen Zug an, während seiner Stimme die Verzweiflung anzumerken war.
»Bruder Struan«, begann d’Our mit betretener
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