Das Rätsel der Templer - Roman
ihn selbst verwunderte. Mit einem singenden Geräusch zog er seine Waffe, während
Hannah angsterfüllt aufschrie. Zwei Soldaten waren in ungefähr zwanzig Meter Entfernung wie giftige Pilze aus dem Boden geschossen.
Geschickt ließen sie ihre Schwerter durch die Luft zischen.
»Bonjour, mon amies«, raunte einer der Kerle mit düsterer Stimme. Dann stürmten sie Anselm entgegen – mit einem Schwall altfranzösischer
Worte auf den Lippen, deren Klang puren Hass und Vernichtungswillen ausdrückte.
Funken sprühten, als Stahl auf Stahl klirrte. Mit unvermuteter Wendigkeit parierte Anselm die Streiche seiner Gegner. Dabei
teilte er selbst aus, als ob er einen Dreschflegel in der Hand halten würde. Roland von Briey hatte ihm beigebracht, dass
ein ernstzunehmender Schwertkampf keinen Anspruch auf Eleganz stellte. Alles drehte sich darum zu überleben, und somit war
jegliche Form der Hinterlist erlaubt.
Wie aufgezogen duckte sich Anselm, stand wieder auf und ließ sein Schwert auf eins der Schilder herabsausen. Sein Gegner taumelte
und verlor beinahe das Gleichgewicht. Sein Gefährte jedoch setzte von neuem an und drängte Anselm in die Defensive.
Erfüllt von neuem Leben war Freya aufgesprungen und hatte sich einen am Boden liegenden Ast gegriffen. Offenbar ohne jede
Furcht eilte sie in ihrem langen Kapuzenumhang zu den Kämpfenden.
Bevor Hannah eine Warnung ausrufen konnte, hatte sich die Beginenschwester den Männern bis auf ein paar Fuß genähert. In einem
günstigen Augenblick holte sie laut keuchend aus und schlug dem kleineren der beiden Soldaten den Ast krachend über den Hinterkopf.
Stöhnend ging er zu Boden. Der andere war für einen Moment zurückgewichen.
Anselm biss die Zähne zusammen, als er ausholte, um dem vor ihm knienden Mann einen letzten Stoß beizubringen. Wie in Butter
drang die Klinge zwischen Kettenhemd und Haube des Soldaten und durchstach dessen Kehle. Blut spritzte hervor, und der Hals
des Mannes |716| knickte wie ein abgebrochener Blütenstängel zur Seite. Einen Atemzug später sackte er lautlos zusammen.
Anselm schwankte. Ein plötzlicher Adrenalinstoß hielt ihn davon ab, die Kontrolle zu verlieren. Als er herumschnellte, um
sich seinem zweiten Gegner zu widmen, sah er, dass der Soldat Hannah von hinten gepackt hielt und ihr die Schneide eines Messers
an die Kehle drückte.
»Wirf die Waffe weg!«, rief er. »Oder das Weib stirbt.«
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Dienstag, 2. 12. 2004 – Jacques de Molay
Es war noch früh am Morgen, als die Wagenkolonne mit fünf schwarzen Mercedes-Vans und einem riesigen Wohnmobil, das die medizinische
Ausstattung eines Operationssaales beherbergte, auf der Autobahn Richtung Thionville die Grenze von Luxemburg nach Frankreich
passierte. Paul Colbach saß zusammen mit Tom Stevendahl und Professor Hertzberg im hinteren Teil eines der dunkel verglasten
Vans und beobachtete im Innenspiegel des Fahrzeugs das Gesicht Jack Tanners.
Der smarte Agent der National Security Agency, der den Wagen lenkte, verkörperte mit seiner nachtschwarzen Sonnenbrille und
dem kurz geschorenen Haar genau das, was Paul sich unter einem Spezialagenten der amerikanischen Streitkräfte vorstellte.
Der zweite Agent, Mike Tapleton, der es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte, blätterte gelangweilt ein Sportmagazin
durch. Seine Beretta 92 FS Brigadier trug er kaum verdeckt von seinem weiten Blouson in einem Holster am Hosengürtel.
Während Tom sich ein Nickerchen gönnte, bewachte Professor Hertzberg mit Argusaugen den unscheinbaren Metallkoffer, in dem
sich das vermutlich größte Geheimnis der Menschheit verbarg.
Paul konnte es immer noch nicht fassen, dass die amerikanische Regierung tatsächlich den Einsatz des Timeservers genehmigt
hatte, um den letzten Großmeister der Templer, Jacques de Molay, aus dem gesicherten Donjon der Festung von Chinon im Jahre
des Herrn 1308 in |717| den gleichnamigen Turm des Fort du Coudray ins Jahr 2004 zu transferieren. Es war, als ob man in ein Hornissennest gestochen
hätte. Die Spezialisten des Pentagons gaben sich die Klinke in die Hand, seitdem er zusammen mit seinem Freund und Kollegen
Tom herausgefunden hatte, wie der Mechanismus des Timeservers zu berechnen war und wie sich somit die Möglichkeit ergab, punktgenau
in eine siebenhundert Jahre entfernte Welt einzudringen.
Auch wenn keineswegs gesichert war, ob dieses Unterfangen gelingen würde, war es für Tom eine realistische Chance, zu
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