Das Rätsel Sigma
Durcheinander war Fred Hoffmeister, der mit einem Plan in der Hand dastand, einwies, Fragen beantwortete.
Als er sie sah, klatschte er in die Hände und rief: „Achtung! Alles auf Position eins!“ Dann lief er auf sie zu.
„Position eins ist der Aufenthaltsraum“, sagte er. „Kommt, ich führe euch. Ich habe die Positionen mit Ziffern und die Meßtrupps mit Buchstaben gekennzeichnet. Hier ist für jeden ein Plan.“
Er drückte ihnen die Zettel in die Hand und erklärte im Gehen das Wichtigste. Das Phagin hatte sich tagsüber im Labor befunden und war nachts, wegen seiner Giftigkeit, im Panzerschrank des Direktors untergebracht worden, der sich in einem anderen Gebäude befand. Die Transportzeiten und -wege am Abend und am Morgen vor der Zersetzung hatte er festgestellt, die Personen, die das Gift transportiert hatten, waren auch da, ihnen war beim Transport nichts Ungewöhnliches begegnet. Fred Hoffmeister hatte sich auch informiert, welche Anlagen und Maschinen längs des Transportwegs zur fraglichen Zeit in Betrieb gewesen waren, und alles vorbereitet, daß dieser komplizierteste Teil der Arbeit zuerst erledigt werden konnte.
Herbert wurde im Aufenthaltsraum mit Hallo empfangen, er entdeckte eine ganze Reihe Bekannter aus dem Umweltschutz, es mochten etwa dreißig Personen sein, die sich hier versammelt hatten, einschließlich einiger Mitarbeiter des Milchforschungsinstituts. Er begrüßte sie und gab gleich Dr. Willenius das Wort, der die Meßbereiche mitteilte, in denen gesucht werden sollte. Ein paar kurze Rückfragen – dann brachen alle auf.
Der Hof bot jetzt wieder das Bild, das sie bei ihrem Eintreffen gesehen hatten, nur waren sie nun nicht mehr Zuschauer. Der Direktor des Instituts hatte sich zu ihnen gesellt, um jederzeit für Anfragen greifbar zu sein.
Fred hatte ein Sprechfunkgerät in der Hand. „Achtung, Konrad – Maschine anfahren. Achtung, Ludwig – Sie können starten, Achtung, alle Meßtrupps – Beginn der ersten Messung!“
Äußerlich schien sich gar nichts zu ereignen. Nur eine Eidechse kam um die Ecke und fuhr an ihnen vorbei – offenbar eine Simulierung der tatsächlichen Vorgänge von neulich.
Das Ergebnis war negativ – aber im Grunde hatte niemand etwas anderes erwartet.
Nicht anders verlief die Untersuchung in der Direktion. Sie befand sich in einem Haus, in dem Diktografen, Kleinrechner und die Reinigungswagen der Raumpflegerei die einzigen Maschinen waren – und deren Energieabgabe war zu niedrig, um irgendwelche Effekte hervorzurufen.
Dann aber ging es in das Labor, und hier wurde die Untersuchung schwierig. Der Platz war beschränkt, nicht alle Meßtrupps konnten gleichzeitig hier arbeiten, und es gab eine große Zahl von Geräten, die den ganzen Tag über immer wieder in den verschiedensten Kombinationen benutzt wurden. Induktionsöfen, Pumpen, Kompressoren, Zentrifugen – kurz, die gesamte umfangreiche Labortechnik.
Es dauerte fast eine Stunde, bis die normale Tagesarbeit in geraffter Form abgespielt war. Und wieder zeigten die Meßinstrumente in den fraglichen Bereichen nichts an. Das Spiel begann von neuem. „Schön ruhig bleiben!“ flüsterte Dr. Willenius.
Herbert war erregt. Während die andern das festgelegte Programm abarbeiteten, suchte er in Gedanken nach Möglichkeiten, die sie vielleicht übersehen haben konnten. Schon mehrmals war er die Liste der Meßtrupps durchgegangen. Jedes einzelne Gerät im Labor musterte er sorgfältig, so, als könne man ihm ansehen, ob es die zerstörende Rolle gespielt hatte. Das war natürlich Unsinn, aber es war seine Gewohnheit, in die Gegebenheiten hineinzuhorchen, Zusammenhänge aufzuspüren, Ansätze zu einem Lösungsweg.
Was, wenn es keinen gab? Oder wenn sie ihn nicht fanden?
Die zweite Untersuchung näherte sich ihrem Ende. Plötzlich war Herbert sicher, daß auch die restlichen zehn Minuten nichts mehr bringen würden. Irgend etwas störte ihn. Irgend etwas war falsch. Er empfand ganz deutlich, daß irgend etwas nicht stimmte. Sein Gefühl für Symmetrie war verletzt. Er kannte diese Empfindung, aber er wußte auch, daß sie viel zu allgemeiner Natur war, als daß man einen konkreten Hinweis daraus hätte herleiten können. Diese Symmetrie war nicht geometrisch aufzufassen, vielleicht war Symmetrie auch nicht der richtige Ausdruck dafür, es konnte sich ebensogut um die Anordnung der Dinge im Raum und Zeit handeln wie um die Anordnung der Gedanken im Kopf. Dieses Gefühl war nur ein Signal, aber – das
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