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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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sagen können, woher. Der Himmel verschwand selbst mitten am Tage hinter einer Glocke aus graubraunem Smog und Dunst, und was immer gerade brannte, trug zur Trostlosigkeit bei.
    Ein paar Blocks von dem Haus entfernt, in dem er die ersten neun Jahre seines Lebens verbracht hatte, hielt er an der Hauptstraße jener Kleinstadt an, die vor so vielen Jahren wegen eines einzigen Verbrechens in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in die Schlagzeilen gekommen war. Als Student hatte er einige Zeit in einer Unibibliothek verbracht und sich durch Dutzende Bücher über Kidnapping gelesen, um irgendwo auf Bilder seiner Heimatstadt aus jener Zeit zu stoßen. Jahrzehnte zuvor war es ein ausgesprochen ruhiges Fleckchen Erde gewesen, ein Ort für Bauerngehöfte und ein beschauliches Leben, ein Mikrokosmos der friedlichen, traditionellen Welt des kleinstädtischen Amerika, was vermutlich den weltberühmten Piloten überhaupt erst für Hopewell eingenommen hatte. Für ihn war es ein vermeintlicher Zufluchtsort, ohne ihn von den großen politischen Strömungen zu isolieren, in die er eingetaucht war. Der Flieger war ein ungewöhnlicher Mann, vom Rampenlicht, das ihm seine Atlantiküberquerung beschert hatte, offenbar sowohl verstört wie angezogen.
    Natürlich änderte sich alles von einer Sekunde auf die andere, als die ganze Welt die Entführung des Babys verfolgte. DiePresse, die über den Fall berichtete, fiel über den Ort herein, und der Schauprozess gegen den des Verbrechens beschuldigten Mann, der nur ein Stück die Straße hinunter in Flemington stattfand, das alles brachte für den Ort in den folgenden Jahren unwiderrufliche Veränderungen, und Hopewell wurde zum Synonym für einen einzigen Akt des Bösen. Es war wie eine wasserfeste Farbe, die an Hopewell haftenblieb, egal, wie idyllisch es erschien. Außerdem hatte sich über die Jahre auch der Charakter der Stadt verändert. Die Farmer verkauften ihr Land an Bauunternehmer; die wiederum parzellierten es, um darauf Luxusunterkünfte für die Geschäftsleute aus Philadelphia und New York zu errichten, die der Großstadt zu entkommen hofften, indem sie aufs Land zogen – aber auch nicht zu weit weg. Der Ort litt unter seiner Nähe zu beiden Städten. Es gibt nicht viel, dachte Jeffrey, das sich auf ländliche Gegenden so verheerend auswirkt wie eine günstige Lage.
    Sein eigenes Zuhause war älter gewesen, ein umgebautes Relikt aus der Zeit der Kindsentführung, auch wenn es in einer Nebenstraße unweit des Zentrums lag, das Anwesen des Fliegers dagegen einige Meilen weiter draußen. Er erinnerte sich, dass ihr Haus groß und geräumig gewesen war, voller dunkler Winkel und überraschender Lichteinfälle. Er hatte ein Zimmer im ersten Stock bewohnt, zur Straße hinaus und mit einem halbkreisförmigen Grundriss. Er versuchte, sich das Zimmer ins Gedächtnis zu rufen. Woran er sich erinnern konnte, war sein Bett, ein Bücherregal und das Fossil eines prähistorischen Krustentiers, das er an einem Flussbett in der Nähe gefunden hatte. Bei ihrem übereilten Aufbruch hatte er nicht daran gedacht, es mitzunehmen. Jahrelang hatte er den Verlust bereut. Der Stein hatte sich faszinierend kalt angefühlt, und er hatte es immer genossen, mit den Fingern darüberzustreichen,so als könnte das Fossil unter seiner Hand plötzlich zu neuem Leben erwachen.
    Er ließ den Motor an und rief sich in Erinnerung, dass er zu keinem anderen Zweck gekommen war, als Informationen einzuholen. Diese Reise zu dem Haus, das sie fluchtartig verlassen hatten, war nichts weiter als ein Vorstoß ins Ungewisse.
    Er fuhr seine Straße entlang und wehrte eine Flut der Erinnerungen ab.
    Als er anhielt, schärfte er sich noch einmal ein:
Du hast nichts Unrechtes getan
– eine seltsame Botschaft, das räumte er ein. Dann erst wagte er, aufzuschauen und das Haus zu betrachten.
    Fünfundzwanzig Jahre sind ein seltsamer Filter. Dasselbe gilt für den Unterschied zwischen einem Alter von neun und vierunddreißig. Das Haus erschien ihm kleiner und trotz des schwachen Sonnenlichts, das sich durch den grauen Himmel kämpfte, heller. Freundlicher als erwartet. Es war gestrichen worden. Während er sich an den schiefergrauen Farbton der Schindelverkleidung erinnern konnte, mit schwarzen Läden an den Fenstern, setzte sich jetzt Weiß von den grünen Läden ab. Er entsann sich einer großen Eiche, die im Vorgarten gestanden und ihren Schatten über die Hausfront geworfen hatte, doch sie war verschwunden.
    Er

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