Das Rätsel
stieg aus und entdeckte einen Mann, der vornübergebeugt neben den Eingangsstufen mit dem Rechen ein Beet bearbeitete. Nicht weit von ihm stand ein Schild: ZU VERKAUFEN. Beim Zuschlagen der Wagentür drehte der Mann den Kopf halb um und griff nach etwas – wahrscheinlich nach einer Waffe, vermutete der Professor, auch wenn er sie nicht auf sich gerichtet sah. Jeffrey ging langsam auf ihn zu.
Der Mann schien etwa Mitte vierzig zu sein, stämmig und mitein paar Pfunden zu viel um die Körpermitte. Er trug eine Jeans mit Bügelfalten und eine altmodische Bomberjacke mit Pelzkragen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er, als der Professor näher kam.
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Jeffrey. »Ich hab hier als Kind für kurze Zeit gewohnt und dachte, da ich gerade auf der Durchfahrt war, ich schau mal am alten Haus vorbei.«
Der Mann nickte und schien beruhigt, dass der Fremde keine Bedrohung war. »Wollen Sie’s kaufen? Ich mach Ihnen einen guten Preis.«
Jeffrey schüttelte den Kopf.
»Sie haben hier gewohnt? Wann denn?«
»Vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Und Sie?«
»Nee, so lang nicht. Wir haben es vor drei Jahren von einem Ehepaar gekauft, das zwei, vielleicht drei Jahre drin wohnte. Die haben es auch wieder von anderen Leuten, die nur kurz drin waren. Hat schon oft den Besitzer gewechselt.«
»Tatsächlich? Können Sie mir sagen, wieso?«
Der Mann zuckte die Achseln. »Pech, würde ich denken.«
Jeffrey sah ihn mit einem fragenden Blick an.
Der Mann zuckte wieder die Achseln. »Um die Wahrheit zu sagen, hat niemand, den ich kenne, hier je Glück gehabt. Ich bin gerade versetzt worden. Nach Scheiß-Omaha. Gott. Muss die Kinder, die Frau, den blöden Hund und die Katze entwurzeln, um irgendwo in die Pampa zu ziehen.«
»Tut mir leid.«
»Der Kerl vor mir bekam Krebs. Familie davor, die hatten ein Kind, das von einem Auto überfahren wurde, direkt da vorne. Hab gehört, dass sich irgendwer sogar an einen Mord erinnert, der in dem Haus passiert sein soll, aber, na ja, nichts Genaues weiß man nicht, und ich hab sogar in den altenZeitungen nachgesehen, aber nix gefunden. Das Haus bringt einfach Pech. Wenigstens ham sie mich nicht gefeuert. Das wäre nun echt Pech gewesen.«
Jeffrey sah den Mann nachdenklich an. »Ein Mord?«
»Oder so was in der Art. Wer weiß? Wie gesagt, niemand weiß irgendwas Konkretes. Wollen Sie sich mal umsehen?«
»Vielleicht einen Moment.«
»Ist wahrscheinlich drei-, viermal renoviert worden, seit Sie hier gewohnt haben.«
»Das ist anzunehmen.«
Der Mann führte Jeffrey durch die Eingangstür in eine kleine Diele und von da aus im Schnelldurchgang in die Küche mit später angebautem Speisezimmer, das Wohnzimmer und einen kleinen Raum, der, wie Jeffrey sich erinnerte, das Arbeitszimmer seines Vaters gewesen war, während dort jetzt eine Stereoanlage und ein über die ganze Wand reichender Fernseher untergebracht waren. Er merkte, dass sein Kopf schnell und mit mathematischer Präzision arbeitete, um eine Gleichung aufzustellen, die er aus seinem tiefsten Innern hervorholen musste. Es wirkte alles sauberer, als er es in Erinnerung hatte. Heller.
»Meine Frau«, erklärte der Mann, »ist von uns beiden diejenige mit der Liebe zur modernen Kunst und den Pastellbildern an den Wänden. Welches war Ihr Zimmer?«
»Oben rechts. Rundes Zimmer.«
»Ah, mein Arbeitszimmer. Hab ’ne Reihe Regale eingebaut und meinen Computer drin. Wollen Sie’s sehen?«
Jeffrey durchzuckte eine plötzliche Erinnerung, wie er sich in seinem Zimmer versteckte und das Gesicht ins Kissen drückte. Er schüttelte den Kopf.
»Nein«, lehnte er ab. »Nicht nötig, ist nicht so wichtig.«
»Wie Sie wollen«, meinte der Hauseigentümer. »Verdammt,ich mach ständig Führungen mit den Maklern und ihren Klienten, ich hab die Masche inzwischen ganz gut drauf.« Der Mann lächelte und wollte Jeffrey schon wieder nach draußen begleiten. »Mensch, muss für Sie seltsam sein, nach all den Jahren, wo es ganz anders aussieht und so.«
»Ein bisschen komisch schon. Es kommt mir kleiner vor, als ich es in Erinnerung habe.«
»Das ist nur natürlich. Sie waren damals selbst kleiner.«
Jeffrey nickte.
»Also, ich schätze, der einzige Raum, der noch genauso wie damals ist, das ist der im Keller. Den haben die Leute einfach nicht bemerkt.«
»Wie bitte?«
»Dieser komische kleine Raum im Keller, am Brenner vorbei. Ich wette, die meisten Eigentümer haben überhaupt nicht davon gewusst. Wir haben
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