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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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durchschauen. Haben Sie nicht. Dafür waren Sie nicht clever genug.«
    Dem Detective war plötzlich kalt. Er zitterte unwillkürlich, bevor er antwortete. »Wäre ich es nur gewesen«, sagte er. »Ich wusste es. Ich hab nur nichts unternommen.«
    »Sie meinen, Ihnen waren die Hände gebunden, durch das System? Dienstvorschriften. Gesetze. Gesellschaftliche Gepflogenheiten, richtig?«
    »Ja.«
    »Aber hier ist es nicht ganz dasselbe, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Und genau darum geht es in dieser Welt, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und mir auch.«
    »Ich kann nicht folgen.«
    »Dann lassen Sie es mich erklären, Detective. Ist eigentlich gar nicht so kompliziert. Es wimmelt auf der Welt von Mördern. Mördern jedweder Couleur. Der eine mordet für den besonderen Kick, der andere ist ein Triebtäter, der dritte macht’s fürs Geld, was weiß ich. Mord ist eine alltägliche Angelegenheit, was sag ich, eine stündliche, minütliche, sekündliche. Ständig sterben Menschen eines gewaltsamen Todes. Und wir sind auch nicht mehr deswegen schockiert, habe ichrecht? Verrohung der Sitten? Ähem. Sadismus? Nichts Neues. Gewalt und Tod sind für uns eine Form der Unterhaltung. Wir finden das anregend. Sie brauchen nur ins Kino zu gehen, in einem Buchladen zu stöbern, Gewalt prägt unsere Kunst, unsere Geschichte, unsere Seelen … Sie ist«, erklärte der Mörder und holte einmal tief Luft, »unser wahrer Beitrag zu dieser Welt.«
    Martin wand sich behutsam auf seinem Sitz. Er überlegte, ob der Vortrag ihm Gelegenheit verschaffte, sich nach vorn zu beugen, um an seine Pistole zu kommen, doch wie zur Antwort drückte sich die Rasierklinge wieder fester an seinen Hals, und der Mörder neigte sich noch mehr vor, so dass seine Worte Martin wie ein heißer Luftstrahl trafen.
    »Sehen Sie, Agent Martin, wenn ich zur Hölle fahre, möchte ich mit Applaus und Hochrufen empfangen werden. Ich wünsche mir eine Ehrengarde aus Mördern – aus all den Messerschlitzern, Schlächtern und Irren. Ich will mir neben ihnen einen Platz in der Geschichte erobern. … Ich will«, flüsterte der Mörder kalt, »dass man mich nicht vergisst.«
    »Und was wollen Sie dafür tun?«, fragte Martin.
    Der Killer schnaubte verächtlich. »Dieser Staat«, antwortete er langsam, »dieser geplante Einundfünfzigste Bundesstaat des größten Staatenbundes der Geschichte. Worum handelt es sich dabei? Es ist ein geographischer Ort, aber seine eigentlichen Grenzen sind philosophischer Natur, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und genau hier, in diesem Auto, haben wir den Beweis dafür, Detective. Uns. Sie und mich und diese unseligerweise nicht verschlossene Tür, die es mir erlaubt hat, mich auf den Rücksitz zu setzen und auf Sie zu warten. Stimmen Sie mir nicht zu?«
    »Ja.«
    »Gut, Detective, dann sagen Sie mir eins: Wer wird wohl in die Geschichte eingehen – diese alberne Meute Politiker und Geschäftsleute, auf deren Mist diese rückständige Welt gewachsen ist, diese Einfaltspinsel, die meinen, unser künftiges Heil läge darin, die Vergangenheit zu beschwören – oder …« Martin spürte das Grinsen des Mannes im Nacken. »… der Mann, der den Traum platzen lässt?«
    Unter Husten brachte Martin seinen Protest heraus. »Das wird Ihnen nicht gelingen«, widersprach er. Er wusste selbst, dass seine Worte erbärmlich klangen.
    »Oh, das schaff ich, Detective. Denn Ihre Vorstellung von persönlicher Sicherheit steht auf äußerst wackeligen Füßen. Hätten Sie sich nicht derart ins Zeug gelegt, das Ausmaß meiner Taten zu vertuschen, zum Teil mit lächerlichen Mitteln übrigens, dann wäre es mir längst gelungen. Wilde Hunde, also wirklich! Aber das hat mich natürlich darauf gebracht, das Spiel ein wenig abzuwandeln, was die Anwesenheit meines Sohnes erforderlich machte. Meines beinahe berühmten Sohnes. Meines renommierten und respektierten Sohnes. Und was unsere persönliche Fehde betrifft – meinen Sie wirklich, die Nachrichtenmedien der übrigen fünfzig Staaten würden sich das entgehen lassen? Rührt dieser Wettstreit nicht an die tiefsten, ältesten Instinkte? Etwas, das jeder auf eine ganz urtümliche Weise versteht? Vater gegen Sohn, Sohn gegen Vater. Aus dem Grund musste ich ihn herbringen, Detective.«
    Jeffreys Erzeuger holte tief Luft.
    »Es war von Anfang an geplant, dass Sie ihn finden und zu mir bringen. Und dafür, dass Sie genau das getan haben, was ich von Ihnen erwartet habe, möchte ich Ihnen danken.«
    Martin hatte das Gefühl, nicht mehr

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