Das Rätsel
Liebkosung auf dem Rücken. Dann trug sie die Sonnenmilch auf ihrem ganzen Körper auf, bis sie von oben bis unten glitzerte wie das Wasser, auf dem sie dahinglitt.
Sie war allein. Außer dem leisen Klatschen der Wellenkräusel am Rumpf war es vollkommen still.
Sie lachte laut.
Hätte sie mit dem Morgen Sex haben können, hätte sie keinen Moment gezögert; stattdessen gab sie sich der Erregung hin,drehte und wendete sich, so dass die heißen Strahlen sie rundum erreichten.
So stand sie einige Minuten lang da. Innerlich sprach sie mit der Sonne und der Hitze: Du wärst schlimmer als jeder Mann; du würdest mich lieben, aber dann würdest du mehr nehmen, als dir zusteht, du würdest mir die Haut verbrennen und mich vorzeitig altern lassen. Widerstrebend griff sie erneut in das kleine Fach und zog eine dünne schwarze Polypropylenkapuze heraus, wie sie die Abenteurer in der Arktis unter ihren anderen Kleiderschichten trugen. Sie zog sie sich über den Kopf, so dass wie bei einem Einbrecher nur ihre Augen zu sehen waren. Als sie weiter wühlte, fand sie eine alte, grünorangefarbene Baseballkappe der Universität von Miami für den Kopf und zuletzt noch eine Sonnenbrille für die Augen. Sie wollte wieder in den Overall schlüpfen, überlegte es sich aber anders.
Einen Fisch, sagte sie sich. Einen Fisch fange ich nackt.
Als ihr bewusst wurde, dass sie mit gänzlich verhülltem Kopf und Gesicht, sonst aber splitternackt ziemlich lächerlich wirken musste, lachte sie lauthals. Dann nahm sie die beiden Angelruten aus ihren Halterungen und arrangierte sie so, dass sie sie bequem erreichen konnte. Sie zog den Staken heraus und stieg auf die Plattform, ein kleines, etwas erhöhtes Deck über dem Motor, von wo aus man zusätzliche Hebelkraft hatte. Langsam bewegte sie das Skiff über die seichte Fläche.
Sie rechnete damit, ein, zwei Meeräschen zu entdecken, deren Schwanzflossen aus dem Wasser ragten, wenn sie im nassen Sand nach kleinen Garnelen und Krabben wühlten. Das wäre schön, dachte sie. Das war eine achtbare Beute, ein Fisch, der sich blitzschnell bewegen konnte. Barrakudas waren eine andere Möglichkeit; sie hingen fast reglos im brackigen Wasser, und nur das gelegentliche Zittern der Finnen ließ erkennen,dass sie nicht Teil ihrer Umgebung waren. Sie sah in ihnen Gangster. Sie hatten gefährliche Reißzähne wie Hunde und kämpften verbissen, sobald sie am Haken hingen. Sie wusste, dass sie auch ein paar mittelgroße Haie sehen würde, die wie Spielplatzrüpel an den flachen Rändern des Beckens auf leichte Beute lauerten.
Sie schob ruhig den Staken durchs Wasser und ließ das Boot gleiten.
»Kommt schon, Fische«, lockte sie, »wo seid ihr heute Morgen?«
In diesem Moment schnappte sie nach Luft und schaute zweimal hin, um sicherzugehen, dass sie richtig gesehen hatte.
Keine fünfzig Meter entfernt erkannte sie die unverwechselbare Torpedoform eines großen Tarpuns, der in geduldigem Zickzackkurs an einer Stelle durchs Wasser glitt, die kaum drei Viertel Meter tief war. Knapp zwei Meter lang und gut hundert Pfund schwer. Viel zu groß für diese Gewässer, und auch außerhalb der Saison; der Tarpun wanderte im Frühling in großen Schwärmen stetig nach Norden. Susan hatte in diesen Monaten in den etwas tieferen Kanälen einen guten Fang gemacht.
Das hier jedoch war ein großer Fisch, vollkommen fehl am Platze, und er kam direkt auf sie zu.
Rasch grub sie die Spitze des Stakens in den sandigen Grund und schlang eine Leine um das Ende, so dass er ihr als Anker diente. Vorsichtig sprang sie von der Plattform, schnappte sich die Fliegenangel, hatte das Boot mit einem Schritt durchquert und den Bug erreicht. Immer noch sah sie den massigen Körper vom kräftigen Schlag seiner sensenartigen Schwanzflosse unerbittlich vorangetrieben durchs Wasser gleiten. Gelegentlich fing sich die Sonne in der silbrigen Seite des Fischs. Als ob eine Explosion aufstob.
Sie rollte Schnur ab. Die Rute war eher für einen Fisch ausgelegt, der ein Zehntel so groß war wie das Exemplar, das auf sie zukam. Außerdem glaubte sie kaum, dass der Tarpun die kleine Krabbenimitation am Haken schlucken würde. Doch das war alles, was sie hatte, und selbst wenn es schief gehen musste, wollte sie es wenigstens versuchen.
Der Fisch war noch etwa dreißig Meter entfernt, und einen Moment lang wunderte sie sich über dieses seltsame Zusammenspiel. Sie spürte, wie ihr Puls einen Trommelwirbel vollführte.
Bei fünfundzwanzig Metern
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