Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
beginnen.
    Previous

vorherig
, fing sie an. was meinte er damit? Etwas, das vorher kam.
    Sie nickte innerlich: Etwas in der ersten Botschaft –
Ich habe dich gefunden
.
    Sie schrieb den Satz in die erste Zeile und darunter:
    Coffee Emerald Thant – Kaffee, Smaragd Thant.
    Das sind wieder simple Wortspiele. Möchte er zeigen, wie clever er ist? Wie komplex sind sie? Oder fängt er an, ungeduldig zu werden und hat sie leicht gemacht, damit ich mit der Antwort nicht zu viel Zeit vergeude?
    Kennt er meine Deadlines bei der Zeitschrift?, überlegte sie. Denn wenn ja, dann wüsste er, dass ich nur bis morgen Zeit habe, um das hier rauszubekommen und mir eine angemessene Antwort einfallen zu lassen, die ich in der regulären Kolumne bringen kann.
    Susan nahm einen langen Schluck Scotch und leckte dann am Glasrand. Der Alkohol durchdrang sie wie der Verlockungszauber einer Sirene. Sie mahnte sich, langsam zu trinken; als sie ihren Bruder zuletzt gesehen hatte, hatte sie beobachtet, wie er ein Glas Wodka kippte, als wäre es Wasser, ohne Genuss, nur um durch den Alkohol zu entspannen. Er joggt, dachte sie. Er joggt, treibt leichtsinnige Sportarten und trinkt sich dann die Muskeln, die er sich antrainiert hat, wieder weg. Sie nippte erneut an ihrem Drink und kam zu dem Schluss: Ja,
previous

vorherig –
bedeutet etwas aus der ersten Botschaft. Und
always

immer
– weiß ich schon. Sie betrachtete die Worte, wog sie gegeneinander ab und sagte laut vor sich hin:
    »Ich habe immer …«
    »Ich auch«, sagte eine Stimme hinter ihr.
    Erschrocken fuhr sie auf ihren Drehstuhl herum.
    Der Mann, der hinter ihr stand, hielt einen Drink in der Hand und lächelte teils lässig, teils mit einer aggressiv gespanntenErwartung, die sie augenblicklich abstieß. Er war groß und wuchtig, wahrscheinlich fünfzehn Jahre älter als sie, mit beginnender Glatze und einem Ehering am Finger. Der klassische untergeordnete Typ, wie sie mit einem Blick erkannte: der kleine Mann in der Managementetage, der bei Beförderungen übergangen wird, die Möchtegern-Führungskraft. Auf eine schnelle Nummer aus. Anonymer Sex, bevor er zum Mikrowellendinner nach Hause fährt, zu einer Frau, der es völlig egal ist, wann er nach Hause kommt, und zwei missmutigen Kindern im jugendlichen Alter. Wahrscheinlich hatte nicht einmal der Hund Lust, mit dem Schwanz zu wedeln, wenn er zur Tür hereinkam.
    Ihr lief ein Schauder über den Rücken.
    Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und fügte hinzu: »Ich wollte schon immer dasselbe.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie.
    »Egal, was Sie schon immer, das hab ich auch schon immer«, antwortete er hastig. »Kann ich Ihnen einen Drink spendieren?«
    »Ich hab schon einen.«
    »Wie wär’s mit einem zweiten?«
    »Nein, danke.«
    »Woran arbeiten Sie denn so hart?«
    »Meine Sache.«
    »Ich könnt’s ja auch zu meiner machen, wie?«
    »Das glaube ich kaum.«
    Sie ließ den Mann stehen und drehte ihm auf ihrem Hocker den Rücken zu, während er näher kam.
    »Nicht besonders freundlich«, bemerkte der Mann.
    »Ist das als Frage gemeint?«
    »Nein«, gab er zurück, »eher eine Feststellung. Wollen Sie nicht reden?«
    »Nein«, antwortete sie. Sie glaubte, dass sie zumindest versuchte, höflich, aber bestimmt zu sein. »Ich möchte in Ruhe gelassen werden, mein Glas austrinken und dann verschwinden.«
    »Kommen Sie schon, haben Sie sich nicht so. Erlauben Sie mir, Ihnen einen Drink zu spendieren. Plaudern wir ein bisschen. Und sehen wir, was passiert. Man kann nie wissen. Ich wette, wir haben eine Menge gemein.«
    »Nein, danke«, lehnte sie ab. »Und ich glaube nicht, dass wir auch nur das Geringste gemein haben. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich war gerade mit etwas beschäftigt.«
    Der Mann lächelte, nahm noch einen Schluck aus seinem Glas und nickte. Er beugte sich zu ihr vor, nicht betrunken, denn das war er nicht, und auch nicht allzu bedrohlich, denn bis zu diesem Moment hatte er nur zu optimistisch gewirkt – vielleicht ein wenig zu hoffnungsvoll –, doch mit einer plötzlichen Intensität, die sie zurückzucken ließ.
    »Schlampe«, zischte er. »Fick dich, du Schlampe.«
    Ihr blieb die Luft weg.
    Der Mann kam noch näher heran, und sie roch das aufdringliche Aftershave und seine Fahne.
    »Weißt du, was ich am liebsten mit dir machen würde?«, fragte er im Flüsterton, allerdings ohne eine Antwort abzuwarten. »Ich würde dir gern dein beschissenes Herz herausschneiden und darauf

Weitere Kostenlose Bücher