Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
langweilte sich. Der Erste Ritter war in einer Besprechung mit dem König und durfte nicht gestört werden, Rupert war verschwunden, und alle anderen waren zu beschäftigt oder zu müde, um sich mit ihm zu unterhalten. Der Erzmagier bummelte durch die endlosen Gänge der Burg, um sich ein wenig umzusehen, aber auch das ödete ihn bald an. Er brauchte frische Luft und mehr Bewegungsfreiheit. Die Burg enthielt zu viele Erinnerungen. Er fand eine stille Ecke, setzte sich auf den Boden und versank in Trance. Sein Astralleib löste sich vom Körper, schwebte nach oben und flog durch die Gänge zurück zur Eingangshalle und in den Hof hinaus, ein unsichtbares Wesen, leiser als ein Windhauch.
Der Hof war überfüllt mit Obdachlosen, und die hohen Mauern aus Stein wirkten selbst unter freiem Himmel unerträglich einengend. Der Erzmagier glitt rasch über die gebeugten Köpfe der teilnahmslosen Flüchtlinge hinweg, schwang sich über den Burgwall und flog hinaus in die lange Nacht.
Die eisumschlossene Burg schimmerte unheimlich in ihrem eigenen Silberglanz wie eine riesengroße Schneeflocke. Das Licht reichte nicht weit in den Düsterwald. Einst war der Wald voller Leben gewesen, doch nun regte sich nichts außer Dämonen, die geräuschlos durch die lange Nacht schlichen. Nur die Bäume selbst waren, obwohl morsch und halb verfault, auf schreckliche Art lebendig. Der Erzmagier hörte sie wimmern.
Um ihn vibrierte die Dunkelheit in der Luft wie ein lang gezogenes Donnergrollen, und über ihm heulte unaufhörlich der blaue Mond. Die Sinne des Erzmagiers enthüllten weit mehr von der Welt, als die meisten Menschen sahen, und was jedem gewöhnlichen Beobachter als stumme, statische Szene erschienen wäre, war ihm mit Lärm und wildem Aufruhr erfüllt. Ringsum machten die Geister des Gestern immer wieder dieselben Bewegungen; Augenblicke, in der Zeit gefangen wie in Bernstein eingeschlossene Insekten. Hin und wieder verschwand ein Geist aus seinem Blickfeld wie eine geplatzte Seifenblase, wenn das Hier und Heute die ungewisse Erinnerung an das Einst überlagerte.
Wege der Macht, alt und stark, leuchteten rund um die Burg, unvermindert hell trotz des Düsterwaldes. Der Erzmagier runzelte die Stirn. Er spürte, wie sich tief in der Erde etwas regte, ein Wesen aus grauer Vorzeit, das sich gelegentlich aufbäumte und dann wieder in seinen langen Schlaf hinüberdämmerte. Der Erzmagier entspannte sich ein wenig. Der Wald war älter, als seine Bewohner ahnten, und die Wesen, die hier lange vor der Menschheit gelebt hatten, waren nicht vollständig ausgerottet. Nur wenige wussten um ihren leichten Schlaf.
Der Erzmagier hob den Kopf, als ein Dämon aus dem Düsterwald trat. Das Wesen ging unsicher auf zwei Beinen und ähnelte einem Menschen, aber von seinen Kiefern quoll unentwegt öliges grünes Feuer, das zischend und Funken sprühend zu Boden tropfte. In seinem breiten Maul saßen riesengroße Zahnstümpfe, und seine Augen loderten gelb in der Nacht. Der Erzmagier sah es prüfend an und hob eine Hand.
Der Dämon blieb stehen, fauchte unhörbar und floh zurück in den Düsterwald. Ein grimmiges Lächeln spielte um die Lippen des Erzmagiers.
Als der Dämon in der langen Nacht verschwand, brüllte etwas tief in der Finsternis seinen Hunger heraus, und der Erzmagier zog nachdenklich die Stirn in Falten. Gegen Ende des letzten Dämonenangriffs hatte er gespürt, dass sich etwas Furchtbares auf die Burg zubewegte. Im letzten Moment hatte es innegehalten, statt seine Macht auf die Probe zu stellen, aber seither spielten sich Veränderungen im Düsterwald ab, die dem Erzmagier nicht entgingen. Die Dämonen sammelten sich zu einem neuen Angriff, und mit ihnen … der Erzmagier erschauerte plötzlich, obwohl er seinen Körper verlassen hatte. Im Licht des blauen Mondes waren Wesen aus einem Schlaf erwacht, der bis ans Ende der Zeit hätte dauern sollen, um neu die Welt der Menschen zu durchwandern. Fleischgewordene Albträume und Schreckensbilder regten sich in der langen Nacht und warteten voller Ungeduld auf den Befehl zum Angriff auf die Burg.
Der Erzmagier zuckte die Achseln und schwebte wieder empor. Der Lauf der Dinge ließ sich nicht aufhalten, und es hatte keinen Sinn, sich Sorges zu machen. Er schob die düsteren Gedanken beiseite und flog gemächlich über den Burggraben. Nachdenklich betrachtete er die dicke Eisschicht, die das Wasser bedeckte. Ein großer, dunkler Schatten bewegte sich träge unter dem Eis und verfolgte
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