Das Regenmaedchen
noch schlief, hatte sie aufstehen müssen
und hinaus in den Tag. Sie wusste, sie würde heute hadern, mit Felix und Arthur
und Robert und allen anderen. Sie wusste, sie würde sich entschuldigen müssen
für ihre schlechte Laune, und nahm sich vor, abends pünktlich Schluss zu machen
und zehn Stunden am Stück zu schlafen.
Im Büro herrschte bereits hektischer Betrieb. Die Kollegen
waren am Sichten, Ordnen und Überprüfen der Informationen, die sich aus der
Telefonaktion ergeben hatten.
»Also!«, sagte Franza in aufmunterndem Ton, der den
einzigen Sinn hatte, sie selbst aufzumuntern. »Was gibt es Neues?«
»Viel«, sagte Felix. »Wirklich sehr viel. Hast du schlecht
geschlafen? Du siehst fürchterlich aus.«
Er schüttelte den Kopf, betrachtete sie eingehend. Sie
wühlte in ihrer Handtasche auf der Suche nach einer Kopfschmerztablette.
»Danke«, sagte sie. »Du bist mir vielleicht ein Herzchen,
Herz. Denk dran, wie es dir in ein paar Monaten ergehen wird.«
Er grinste ein wenig unglücklich, sie war zufrieden.
»Also«, sagte er, »lass uns Maries Leben auf den Grund
gehen. Am wichtigsten scheint mir die Wohngruppe zu sein. Die Leiterin hat sich
gemeldet, eine Sozialarbeiterin, sie hat Marie auf dem Foto erkannt, Robert hat
mit ihr gesprochen, sie soll ziemlich erschüttert gewesen sein. Er hat uns für
heute Nachmittag angekündigt.«
Er blätterte seinen kleinen Notizblock um, den er immer
bei sich trug. Dann blickte er hoch und schaute Franza bedeutungsvoll an. »Ach
ja!«, sagte er. »Bevor ich es vergesse. Wir haben die DNA-Übereinstimmung. Die
Zigarettenstummel auf dem Pannenstreifen stammen von derselben Person wie
einige der Kippen vom Parkplatz. Wie wir vermutet haben, also. Allerdings ist
es keiner unserer Bekannten aus den Karteien oder dem Computer. So einfach
macht er's uns also nicht.«
Felix schob bedauernd seine Schultern hoch, dann blätterte
er wieder um.
»Was noch? Ach ja, ein Lehrer hat sich gemeldet. Ebenfalls
wegen des Fotos. Sie ist ja wieder zur Schule gegangen. In seine Klasse. Ich
denke, mit ihm sollten wir auch reden. Wir treffen ihn in der Schule gegen
zwölf, da hat er Mittagspause.« Wieder blätterte er um, dann nickte er
zufrieden. »Ich glaube, das sind vorerst die wesentlichsten Dinge. Leider hat
keiner sie auf der Autobahn gesehen. Zumindest hat sich diesbezüglich niemand
gemeldet. Aber was nicht ist ...« Er zuckte die Schultern, ließ den Satz
unvollendet und nahm einen Schluck Cola. »Igitt!«, sagte Franza. »Wie kann man
nur dieses grausige Zeug trinken!« Herz schaute erstaunt auf das Glas in seiner
Hand. »Wieso? Wegen der paar Zuckerstücke? Die haben deine Kekse mindestens intus.«
Er drehte sich um, marschierte Richtung Schreibtisch. Ehe er sich setzte,
wandte er sich noch einmal um. »Ach ja, die Mutter, Frau Gleichenbach, hat noch
einmal angerufen. Sie kommt heute zur Identifizierung und hätte dich gerne
dabei. Ich habe zugesagt. Geht das in Ordnung für dich?« Franza nickte. »Wann?«
»Sie kommt in etwa einer Stunde. Hierher. Ich dachte, ihr
fahrt dann gemeinsam ins Krankenhaus.«
»Alles klar.«
Sie schaute sich suchend um. »Haben wir noch immer keine
Kaffeemaschine?« Herz tippte in die Tastatur seines Computers, blickte nicht
hoch. »Nein. Ich dachte, du hättest eine gekauft. Da stand doch gestern so eine
Schachtel auf deinem Rücksitz.« Nun schaute er doch auf. »Oder hab ich mich
getäuscht?« Franza spürte, wie sie rot wurde. Scheiße, dachte sie. »Nein«,
sagte sie. »Ja. Doch. Nein.«
Er wurde aufmerksam, lehnte sich entspannt in seinem Stuhl
zurück, wippte ein bisschen, grinste ein bisschen. »Also was jetzt?«
Sie schwieg, setzte sich an ihren Schreibtisch Herz gegenüber,
fuhr den Computer hoch.
»Ach!«, sagte er, seine linke Augenbraue ruckte leicht
nach oben, er lächelte. »Jetzt verstehe ich. Die war für ...«, er überlegte,
»für deinen ... na, wie nennt man das? Liebhaber? Kenn ich ihn eigentlich?«
»Wie geht es Angelika?«, fragte sie.
»Lenk nicht ab!«, sagte er.
Sie schwieg ein bisschen, während er sie aufmerksam
musterte. Schließlich gab sie sich einen Ruck. Herz war ihr bester Freund, wem,
wenn nicht ihm, konnte sie alles anvertrauen. Sie nannte Ports Namen und war sich
sicher, dass Felix ihn nicht kannte. Aber der pfiff leise durch die Zähne.
»Wow!«, sagte er. »Du beweist Geschmack. Der Shootingstar unseres Theaters!
Aber seit wann hast ausgerechnet du es mit Künstlern? Du hast doch noch nie
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