Das Regenmaedchen
oder so neugierig oder so verständnislos, aber unsere Mitarbeiter an der
Front haben schon so viel erlebt...« Er verlor den Faden und wurde ein wenig
rot unter seiner Braune. Wie viele Nachmittage, dachte Franza, wie viele
Nachmittage hat er wohl dafür auf dem Tennisplatz geschwitzt?
»Was möchten Sie uns denn nun eigentlich sagen, Herr
Doktor Lauberts?«, fragte Felix freundlich. Das kann er, dachte Franza
anerkennend, das kann er wirklich, der Kollege Herz, wenn er etwas will, die
Nettigkeit in Person sein nämlich, so freundlich, so lieb und gleich wird er
alles gesagt haben, der gute Doktor, und es wird ihm gar nicht schwergefallen
sein.
Sie lächelte Felix verstohlen zu und war sich sicher, dass
Doktor Lauberts sich mittlerweile reichlich wohl fühlte bei ihnen.
»Naja«, sagte Lauberts und seufzte schwer. »Ich bin hier,
damit Sie keine falschen Schlüsse ziehen.«
»Falsche Schlüsse. Woraus?«
»Naja.«
Er rutschte nervös auf seinem Sessel hin und her. Jetzt
geht's ans Eingemachte, dachte Franza. Spuck's schon aus, dachte Felix. Wir
haben nicht ewig Zeit. Er lächelte sanft und schaute Franza an, während
Lauberts sich sammelte. »Sie werden meinen Namen finden.«
Felix beugte sich vor. Franza hielt den Atem an. Die
Spannung stieg. »Ihren Namen. Wo?«
Nun war es Lauberts, der ungeduldig wurde. »Na, in Maries
Besucherprotokollen natürlich.«
»Aha!«, machte Felix und zügelte seine Erregung. »Und das
bedeutet?«
»Wie ich schon sagte. Dass Sie sich kein falsches Bild
machen sollen!«
»Und wie haben wir uns das richtige Bild vorzustellen?«
Felix' Augen waren schmal geworden, er lehnte sich zurück
und stützte das Kinn in die Handfläche, während er Lauberts unentwegt
anstarrte. Lauberts stand auf und begann im Zimmer hin und her zu marschieren.
»Setzen Sie sich wieder«, sagte Felix gelassen. »Warum sind Sie denn so
nervös?«
Lauberts nahm wieder Platz. »Ich bin nicht nervös«, sagte
er. »Es ist nur so, dass es mir ein bisschen peinlich ist. Ich meine, das kommt
sonst nicht vor. dass ich meine Klientinnen in ihren Wohneinrichtungen,
respektive ihren Zimmern aufsuche.«
»Ja«, sagte Felix gemächlich. »Das ist in der Tat ein
bisschen peinlich, besonders weil Marie jetzt tot ist. Aber es ehrt Sie, dass
Sie von sich aus gekommen sind, um die Sachlage aufzuklären. Was war denn nun
der Grund für Ihren, sagen wir, Besuch bei
Marie?« Lauberts seufzte. »Tja, wenn das so einfach zu erklären wäre.«
Er schaute hilfesuchend von einem zum anderen, aber die
Gesichter der beiden Ermittler blieben unbewegt. Ein neuerliches Seufzen, dann
gab er sich einen Ruck. »Sie kam eines Tages zu mir ins Amt und beschwerte sich
über die Zustände in der Wohnung. Sie meinte, Frau Hauer, das ist die Leiterin,
kennen Sie die schon?«
Er schaute fragend von Franza zu Felix, beide schüttelten
den Kopf. »Ja, also, sie meinte, Frau Hauer würde die Wohngruppe
vernachlässigen und dass alles drunter und drüber gehe und dass sie nicht mehr
gewillt sei, das alles so einfach zu akzeptieren. Ich wunderte mich, besonders
deshalb, weil ich Frau Hauer als eine meiner engagiertesten und fähigsten
Mitarbeiterinnen kenne und schätze. Also sagte ich, ich würde vorbeikommen und
mir die Lage vor Ort anschauen. Das habe ich dann getan. Aber leider war Frau
Hauer nicht da, eigentlich war niemand da, nur Marie und eine neue
Mitarbeiterin, die ich noch nicht kannte und die mich auch nicht kannte und die
darauf bestand, mich in Maries Besucherprotokoll einzutragen. Obwohl ich ihr
meinen Ausweis vom Sozialamt gezeigt hatte, gleich zu Beginn! Aber ich wollte
keinen Ärger, also habe ich mich eintragen lassen. Sie wissen ja, wie das ist -
man muss mit gutem Beispiel vorangehen. Und wenn man, wie ich, nichts zu
verbergen hat...« Er lachte nervös, stand auf. »Ja, das wär's eigentlich. Das
wollte ich Ihnen nur sagen. Dass ich da drinstehe und dass Sie sich nicht
darüber wundern sollen.« Er schaute auf die Uhr. »Ja, also ich, äh, ich sollte
wieder ins Amt.« Sie spürten seine Erleichterung, dass es vorbei war. Aber es
war nicht vorbei. »Sie sind in Maries Zimmer gegangen?«
Felix' Stimme klang ruhig, harmlos, gelassen. Lauberts
nickte, ein bisschen verwirrt, ahnte noch nicht, dass er auf dem Schafott
stand. »Ja. Ich sollte es mir ja ansehen.«
»Und die Tür? Blieb offen?«
Er begann zu stottern. »Nein. Ja. Ich weiß nicht.«
»Was jetzt?«
Er wand sich.
»Setzen Sie sich wieder«, sagte Felix. »Also.
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