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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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unbestechliches Einschätzungsvermögen, dessen sie
sich bis vor kurzem noch so sicher gewesen war. War sie vielleicht einfach
nur... eifersüchtig?
    Konnte es sein, dass die Tatsache, dass Port von Marie
gesprochen hatte, die Art und Weise, wie er von ihr
gesprochen hatte, sie dermaßen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, dass sie
nun hier stand vor seiner Wohnung, mitten in der Stadt, mitten in der Nacht, fast
schon gegen Morgen, um ihn zu kontrollieren, um sicherzugehen, dass immer noch
er es war, Port, den sie bis in die Fasern seiner Lungenflügel zu kennen
glaubte?
    Ein wenig melancholisch dachte sie an den Anfang. Als sie
ihm ihren Namen nicht nennen wollte und er das nicht akzeptieren konnte. »Du
musst zugeben«, hatte er gesagt, »dass das so nicht geht. Ich will an dich mit
einem Namen denken. Ich kann an dich nicht als die
Namenlose denken.«
    »Warum denkst du überhaupt an mich?«, fragte sie. Er
verdrehte die Augen. Schließlich überlegte er sich einfach einen Namen für sie,
nannte sie Lea. Anfangs trafen sie sich außerhalb der Stadt in einem Motel an
der Autobahn. Immer dachte sie, es sei das letzte Mal. Aber immer ging es
weiter. Einmal brachte er einen Picknickkorb mit, gefüllt mit Köstlichkeiten.
Sie wusste es nicht zu schätzen.
    »Was bringst du Essen mit«, sagte sie. »Haben wir Hunger?
Nein, haben wir nicht. Was also bringst du Essen mit?«
    Er lachte ihren Ärger einfach fort. »Isst du nur, wenn du
Hunger hast? Lea?«
    Und betonte diesen Namen, eigentümlich, fast etwas
hämisch. Sie war irritiert, ein wenig verlegen, griff aber zu.
    Später pflückte er genüsslich Erdbeeren aus ihrer
Bauchnische. Sie schnupperte seinen Nacken ab, erlaubte sich aber keine
Zärtlichkeit.
    »Das machst du nicht mehr«, sagte sie später. »Ich will
das nicht.«
    »Was?«, fragte er überrascht. »Was?«
    »Das Essen!«, sagte sie. »Dieses Essen will ich nicht. Ich
will nur ficken, das ist alles, was ich will, nur ficken, vögeln, rumsen. Wie
immer du's nennen willst.« Er schüttelte den Kopf, verärgert. »Du redest wie
ein Mann«, sagte er, »und hast keine Ahnung.«
    »Ach nein?«, sagte sie spöttisch. »Die Zeiten, wo die
Männer zu ihren Frauen >Ach, Kind< sagten, sind vorbei. Wusstest du das
nicht, mein Bester?«
    »Na, wenn du meinst«, sagte er finster. »Du kannst dein
Fickenvögelnrumsen haben.«
    Sie schmeckte das Pilzige der Wand und seinen Zorn hinter
sich. Der sich an sie klebte. Dass sie blaue Schatten sah. Was ihr gefiel.
    Lange erlaubte sie sich keine Zärtlichkeit, eine Zartheit
ja, aber nicht mehr. Auch ihm nicht. Er sollte ihr Schatten nicht werden. Sie
wollte nicht beseelt von ihm durchs Leben schreiten, umglort von der Liebe wie
eine Madonna. Sie wollte eine Sexgeschichte, kleine Pornos für zwischendurch,
die waren gesund und man sparte sich das Fitnessstudio. Wenn er anfing
herumzuzicken wie eine Diva und über Gefühllosigkeit klagte und Romantik einforderte und mit Erdbeeren antanzte und ihre
Bauchnische besetzen wollte, dann würde er sich nicht lange halten.
    So dachte sie. Eine Weile. Am Anfang. Aber bald wusste sie
zu viel von ihm. Wenn sie duschte, saß er gerne auf dem Klo und schaute ihr zu,
den Kopf auf die Hände gestützt. Warum sie das nicht mochte, konnte er nicht
verstehen, das sei kalt und klar, einfach sich waschen, jeder Porno sei so,
darauf stünde sie doch. Sie taten es also. Zweimal die Woche. Manchmal öfter.
Sooft es eben ging. Sie fickten. Ging niemanden etwas an. Privatsache. Sein
Rücken und er. Wenn sie die Augen schloss, schmeckte es nach Portugal. In
Gedanken donnerte der Atlantik an ihre Ohren. Ein einziges Mai war sie dort
gewesen. Vor mehr als zwanzig Jahren. Es war nichts gewesen, null, nada,
zero. Ständig hatte sie Sand zwischen den Zähnen, immer blies
der Wind, der Blick ging nach Afrika und kein ordentlicher Kerl da, der die
Situation erträglicher machte. Sie besaß keine Fotos von jener Reise, wusste
kaum noch um die Steilheit der Felsen, aber Ports Rücken gab ihr das
unbestimmte Gefühl dieser vagen Bekanntschaft zurück.
    Immer nahm sie sich vor, dass es kein nächstes Mal geben
würde. Aber immer gab es ein nächstes Mal, und schließlich sagte sie ihm ihren
Namen. Er grinste, nickte nur, und sie hatte das untrügliche Gefühl, dass er
ihn ohnehin schon gewusst hatte.
    Er gab ihr die Adresse zu seiner Wohnung im fünften Stock
eines Hauses, nicht weit entfernt vom Theater, in dem hauptsächlich Leute
seiner Zunft lebten,

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