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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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dein diabolisches Grinsen zu bedeuten. Was heckst du aus?«
    Sie warf sich in die Schlacht. »Deinem Regisseur«, keuchte
sie atemlos, »wird die Lust auf dich vergehen, wenn er erst meinen
Krawatten-Borger gesehen hat.« Als sie ihr Gerangel beendet hatten und in einer
Ecke der Couch gelandet waren, sagte er: »Aber ich brauch meinen Regisseur,
wie du ihn nennst. Ich muss ihn überzeugen. Ich will den Hamlet spielen!«
    Er machte eine dramaturgisch wichtige Pause, warf sich ein
wenig in Pose. »Dafür«, sagte er, »dafür, Frau Kommissarin, würde jeder
vernünftige Schauspieler morden. Morden! Verstehst
du das?« Sie wiegte unschlüssig den Kopf.
    »So weit«, sagte er, »würde ich gar nicht gehen. Nur bis
zum Fick. Ich würde nur ficken!« Er kicherte, auch bei ihm schlug der Wodka an.
»Aber ziemlich gut.
    Oder? Außerdem, ich habe schon Männer geliebt. Auf der
Bühne. Wo ist der Unterschied?«
    Sie versuchte es nicht gehört zu haben, die ironischen
Zwischentöne, die feinen Spitzen.
    »Angst?«
    Sie überging es. »Der Hamlet?«, fragte sie. »Ist das der,
der seine Mutter liebt?« Er seufzte. »Nein, Verehrteste. Das ist Oedipus.
Häufig Schule geschwänzt?«
    »Was soll's«, sagte sie. »Es geht doch immer um das
Gleiche. Sie sterben und morden, was das Zeug hält. Am Ende sind sie alle tot.
Und um so eine Rolle schlägst du dich?«
    Sie setzte sich hoch und schaute ihm ins Gesicht. Es war
mittlerweile so spät geworden, dass ihr schwindelig wurde, wenn sie daran
dachte.
    »Naja«, sagte er. »Das ist doch eigentlich auch deine
Domäne. Der Tod.«
    »Ja«, erwiderte sie. »Schon. Holst du eine neue Flasche?«
    Als er wiederkam, schwankte er ein bisschen. »Du bist
eifersüchtig!«, sagte er, und sie hörte sein Staunen. »Du bist tatsächlich
eifersüchtig!«
    Da staunte sie selbst, denn sie wusste, er hatte recht,
und sie starrte ihn an, sekundenlang, eine Ewigkeit, und spürte ihr Herz, eine
rasende Trommel.
    Sterben, dachte sie, jetzt. Für alle Zeit. Nichts mehr zu
wissen kriegen. Dann schnappte sie sich ihre Jacke, ihre Tasche, wollte hinaus
zur Tür. Er sprang hoch, stellte sich ihr in den Weg, hielt sie fest. »Nein!«, sagte
er. »Nein. Bleib doch!«
    Sie blieb.
    Wieder auf der Terrasse tranken sie weiter und aßen
frisches Weihnachtsgebäck. Unten auf der Straße war es still geworden, die
Dunkelheit durchsetzt vom beginnenden Tag, die Luft schwül, es würde ein
Gewitter geben, Platzregen würde von den Straßen hochspritzen und wieder
verdunsten, zurück in die Luft, zurück in den Wind, ein ewiger Kreislauf.
    Marie, dachte Franza, ist mit den Regentropfen um die
Wette gesprungen. So jemand war sie gewesen, so jemand, eine Hüpfliese, eine
Hüpfmarie, wahrscheinlich hatte sie die Wette auch gewonnen.
    »Ich wäre ihr einmal fast sehr nahegekommen«, sagte Port
so leise, dass sie ihn kaum verstand. Sie wusste sofort, er sprach von Marie,
sie spürte den Stich, fest und spitz, ein Schmerz wie ein Ziehen.
    Gedankenübertragung ist das wohl, dachte sie, was für eine
zerbrechliche Idylle, und wollte lachen, innendrin, aber dann packte sie die
Angst.
    »Ja?«, fragte sie und versuchte interessiert zu klingen,
wie eine Kommissarin eben.
    »Ja«, sagte er. »Für einen kurzen Augenblick. Einen
wirklich winzig kurzen Augenblick. Aber dann hat einer gezögert, und dann war's
vorbei.« Er schwieg, dachte nach. Sie wartete gespannt, schaute in seine Augen,
unergründliches Dunkel. Zerbrechliche Idylle, dachte sie wieder, Scheiße,
Scheiße!, und hatte den metallenen Geschmack des Zerbrechens auf der Zunge.
»Ich weiß gar nicht, wer«, sagte er endlich. »Sie? Ich? Oder wir beide? Du
weißt, wie das ist? Der Bruchteil einer Sekunde. Und entscheidest dich fürs
Leben. Oder für den Tod. Aber das kannst du ja nicht wissen. Nicht in diesem
Augenblick.« Sie hatte sich wieder gefasst, versuchte zu lachen. »Bist du nicht
ein wenig pathetisch? Fürs Leben oder für den Tod! Ist das nicht Bühne?«
    »Nein«, sagte Port. »Bühne! Leben! Wo ist der Unterschied?
Warum machst du dich lustig?«
    Sie strich mit ihren Händen über sein Gesicht, zog die
Linien seiner Wangen nach, die Nase, den Mund. »Ich liebe dich«, sagte sie
unhörbar in sich hinein. » Wir haben den
Augenblick nicht verpasst, den magischen Bruchteil dieser magischen Sekunde.«
    Seit langem schon machten sie Liebe, fickten nicht mehr.
     
    »Eine Mütze Schlaf«, dachte sie. »Jetzt eine Mütze Schlaf
wäre schön.« Im Gegensatz zu Port, der

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