Das Regenmaedchen
er, dass er mit Ihnen ... und dass Sie
deshalb ein wenig befangen ...?« Aber sie sagte nichts, schaute stattdessen
Herz an, der sie an den Schultern gezupft hatte. »Halt die Klappe jetzt«,
murmelte er. »Lass es gut sein.« Aha, dachte sie, da hat sie ihn mit ihrem
Treffer aber kräftig erwischt. Na gut, dachte sie, bin ja auch müde. Lassen
wir's halt diesmal. Verschieben wir's auf später. Arme Sau.
Sie wandte sich ab, Herz machte weiter.
»Die Mädchen, könnten sie noch etwas wissen?«
Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht. Aber ich glaube
nicht. Sie war eine Einzelgängerin, war gerne für sich.«
»Wir werden sie trotzdem befragen. Einzeln.«
»Wenn Sie glauben, dass das was bringt.«
Die Sozialarbeiterin lehnte sich zurück und verschränkte
die Arme. »Sie haben manchmal Zeit miteinander verbracht. Jennifer und Marie.
Wenn jemand etwas weiß über Maries« - sie dachte nach - »privates Leben, dann
wohl Jenny. Aber ich bin sicher, sie wird schweigen wie ein Grab.«
»Warum? Wie kann sie wollen, dass Maries Tod ungesühnt
bleibt. Dass ihr Mörder frei herumläuft.«
»Das wird er nicht.«
Felix verdrehte innerlich die Augen, Franza übte sich in
Geduld. »Wie meinen Sie denn das?«
Martha Hauer legte die Fingerspitzen aneinander und
schaute nachdenklich in ihre leere Tasse. »Ganz einfach«, sagte sie. »Ganz
einfach. Sie werden versuchen, ihn selbst zu kriegen.«
Die Einvernahme der Mädchen blieb ergebnislos, wie die
Sozialarbeiterin es vorhergesagt hatte. Schweigend ließen sie die Fragen über
sich ergehen, schauten mit ausdruckslosen Augen ins Leere. »Lassen wir das«,
sagte Felix. »Das ist sinnlos. Zeit, klein beizugeben. Vorerst.«
Martha Hauer verabschiedete sich. »Sie kommen allein
zurecht? Ich habe einen Termin. Wenn Sie Fragen haben ...«
Sie deutete auf die junge Frau, die vor einigen Minuten
eingetroffen war und ihnen aus der Küche heraus zunickte.
»Vielen Dank«, sagte Franza und betrachtete eingehend
Hauers braune Arme und ihr gebräuntes Gesicht. Tennisplatzbräune? Gemeinsam mit
Lauberts erspielt?
»Es kann sein, dass wir demnächst frische Fragen an Sie
haben«, sagte Franza. »Dann werden wir uns wieder vertrauensvoll an Sie
wenden.« Die Sozialarbeiterin parierte den ironischen Tonfall mit einem
eigenartig traurigen Lächeln. »Davon gehe ich aus.«
Franza schaute ihr durch das Fenster nach, wie sie ein
kleines Stück die Straße entlangging, in ein Auto stieg und wegfuhr. »Ich
wette«, sagte sie und spürte ein feines Kribbeln, »ich wette, Marie, das kleine
Luder, hat ihr den Liebhaber weggeschnappt.«
War das eine Spur? Eine feine zumindest? Eine kleine?
Sie drehte sich um, schaute Herz an. »Ja«, sagte der. »Ich
fürchte, da hast du recht.« Und holte das Handy aus der Jackentasche. »Arthur«,
sagte er, »ich habe zwei Namen für dich. Durchleuchten von A bis Z. Privat und
beruflich. Vor allem privat. Wir vermuten eine pikante Verbindung, in die
unsere Kleine hineingefunkt hat. Aber geh diskret vor. Alles klar?«
Franza nickte zufrieden. »Lass uns in ihr Zimmer gehen«,
schlug sie vor. »Bevor wir die Spurensicherer losschicken.«
Maries zweites Zimmer. Aber vollkommen anders. Kein
Kleinmädchenzimmer wie im Haus der Mutter. Nichts Kindliches mehr hatte dieser
Raum, er schien zweckmäßig und war von den Möbeln her ähnlich bunt
zusammengewürfelt wie das Wohnzimmer. Bett, Schreibtisch, Kleiderschrank,
Bücherregal, erstaunlich viele Bücher und eine lange Reihe von Reclamheftchen.
Auf dem Schreibtisch lagen Stöße von Schulheften, Büchern und Mappen, außerdem
Stifte, Kugelschreiber, Papier.
Offensichtlich war Marie noch nicht zum Aussortieren gekommen.
Zum Wegwerfen und Forträumen. Jetzt war es zu spät.
Franza seufzte, als sie sich daran erinnerte, mit welcher
Freude Ben aussortiert hatte im vorigen Jahr, mit welcher Genugtuung er
anschließend ein Freudenfeuer im Garten veranstaltet hatte, mit all den Büchern
und Heften, die er nicht mehr brauchte und die er nicht mehr sehen oder haben
wollte. Wie eine Befreiung war es gewesen, nicht nur für ihn, nein, auch für
sie, Franza, und Max. Wochen später allerdings hatten sie noch verkohlte
Papierreste und Ascherückstände in weit entfernten Ecken ihres Gartens
gefunden, dahin getragen vom Wind, und heilfroh waren sie gewesen, dass dieser
zerstörerische Freudentaumel nun ein für alle Mal hinter ihnen lag.
Wehmütig ging Franza zum Schreibtisch und blätterte ein
wenig in den Heften und
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