Das Regenmaedchen
wirklich nichts darüber?«
Die Sozialarbeiterin dachte nach, wiegte den Kopf. »Doch«,
sagte sie. »Vielleicht haben Sie recht. Es schien tatsächlich jemanden zu
geben. Seit ein paar Wochen. Sie war ... anders. Weicher. Voller Hoffnung.
Fröhlich. Auch die Mädchen haben das gemerkt. Sie haben sie aufgezogen deshalb.
Aber das hat sie gar nicht berührt. Sie schien ... sehr sicher zu sein.«
Franza sah erneut die Zärtlichkeit in ihren Augen, das
rührte sie, sie war versöhnt.
»Und?«, fragte Herz ungeduldig.
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Nichts weiter. Mehr
weiß ich nicht. Sie war kein Mensch, der viel erzählte. Aber als ich sie
fragte: Marie, geht's dir gut?, da sagte sie ja und dass sie's schaffen würde,
dass sie zuversichtlich sei. Aber dann ... muss wohl etwas schiefgelaufen sein.«
»Doktor Lauberts. Der Name sagt Ihnen etwas?«
»Ja, natürlich.« Sie schien nicht überrascht zu sein. »Sie
wundern sich nicht, warum wir nach ihm fragen?«
Sie zuckte die Schultern, wirkte plötzlich noch müder.
»Ich habe nicht erst heute angefangen, mir Gedanken zu machen.«
Felix nickte. »Schön. Und welche sind das in diesem Fall?«
Sie zögerte kurz. »Sie hatte wohl etwas mit ihm. Oder
besser, er mit ihr.«
Franza kam zurück zum Tisch, setzte sich. »Er hat sie
dafür bezahlt. Ich nehme an, Sie wissen, wie man das nennt.«
»Ja«, sagte die Sozialarbeiterin leise. »Ich weiß schon,
wie man das nennt.«
»Könnte Lauberts Maries Mörder sein?«
Hauer blickte erschrocken hoch, runzelte die Stirn.
»Glauben Sie das?«
»Wir glauben gar nichts. Wir ermitteln. Und zwar in alle
Richtungen. Was glauben Sie?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß es doch auch nicht«,
sagte sie. »Nein, eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen. Aber ich konnte
mir auch nicht vorstellen, dass ausgerechnet er ...«
»Was?«
Sie schwieg, senkte den Kopf. »Frau Hauer?«
»... sie zur Nutte macht!«, sagte sie unwillig. In ihren
Augen standen plötzlich Tränen, sie wandte sich rasch ab, versuchte verstohlen
sie wegzuwischen. Die beiden Ermittler hoben interessiert die Köpfe, schauten
sich überrascht an. Sollte etwa ...? Konnte es sein ...? War möglicherweise
...? »Warum haben Sie nichts gegen diese ... Beziehung unternommen?« Sie
schaute auf die Tischdecke, schnippte Brösel zu Boden. »Ich weiß es doch erst
seit zwei Wochen. Seit diesem ominösen Besuch, von dem Sie auch erfahren haben,
wie ich annehme. Unsere Praktikantin hat mir natürlich davon erzählt. Daraufhin
habe ich Marie zur Rede gestellt. Sie hat mich nur ausgelacht.«
»Und?«
Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Was und?«
»Wissen Sie von weiteren ... Kunden?«
Sie lachte kurz auf, strich sich die Haare aus dem
Gesicht. »Was sagen Sie denn da?«
»Es soll eine Liste geben. Die hätten wir gerne. Wissen
Sie etwas darüber?«
»Nein. Woher sollte ich?«
»Haben Sie nicht eine gewisse Aufsichtspflicht?«
Sie seufzte, wurde ungeduldig. »Wissen Sie immer, was Ihre
Kinder tun?« Das saß.
Eins zu null für dich, dachte Franza und stellte sich Ben
vor. Bombentreffer, dachte Felix und stellte sich Marlene vor. Aber so schnell
wollte Franza sich nicht geschlagen geben. »Wie waren Ihre Prinzipien noch
gleich?« Die Sozialarbeiterin nickte, in ihren Augen, in ihrem Gesicht sahen
sie, wie müde sie war, wie satt sie alles hatte. Blei, dachte Franza. In den
Knochen. Überall. Kenne ich gut.
»Hören Sie«, sagte Frau Hauer. »Ich arbeite seit ewigen
Jahren in diesem Beruf. Wahrscheinlich schon viel zu lange. Wahrscheinlich
genau wie Sie, und wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten,
dann wären wir uns möglicherweise sogar sympathisch gewesen.«
Glaub ich nicht, dachte Franza, glaub ich wirklich nicht.
Ich mag euch selbsternannte Samariter nicht, euch Gutmenschen. Schon möglich,
dachte Felix gleichgültig, vielleicht.
Die Sozialarbeiterin schwieg für einen Augenblick, holte
tief Luft. »Was ich damit sagen will, ist, dass ich versucht habe, für Marie
das Bestmöglichste zu tun, und das sollten Sie mir einfach glauben. Ich war
sicher, dass sie es schaffen würde, den Absprung und alles. Es ging ihr gut!«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber immer wieder wird mir vor
die Nase geknallt, dass es nichts gibt, was es nicht gibt, und dass die Sümpfe
... Aus diesem Grund ... Außerdem ... sie war über zwanzig.«
Franza öffnete den Mund. »Noch einmal zu Lauberts«, wollte
sie sagen. »Kann es sein, dass Sie und
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