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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bekommen. Er spürte, wie seine Knie weich wurden, wie jeder Muskel zitterte, wie sich seine Waden verkrampften und der Schmerz durch seinen ganzen Körper zog.
    »Gilberto –«, keuchte er.
    »Senhor?«
    »Können wir einen Augenblick anhalten?«
    »Besser wäre es, wenn –«
    »Ich kann nicht mehr.«
    »Noch ein paar Meter, dann können wir das Kanu auf den Steinen ablegen.«
    Minho war zu keiner Antwort mehr fähig. Mit letzter Kraft stemmte er sich gegen das Boot, taumelte noch ein paar Schritte über den glitschigen Grund und hörte dann wie aus weiter Ferne, wie in Watte eingepackt, Gilbertos Kommando:
    »Absetzen!«
    Er ließ das Kanu von seiner Schulter rutschen. Gleichzeitig knickte er in den Knien ein und stürzte kopfüber in das Wasser. Da aber hatte ihn Gilberto schon unter den Achseln gegriffen und hochgezogen.
    »Neue Schildkröten zu entdecken ist einfacher«, hörte er ihn sagen. »Aber wir haben schon ein gutes Stück geschafft, Senhor.«
    »Wenn noch eine Stromschnelle kommt, lasse ich mich fallen und bleibe liegen.«
    »Es wird bestimmt nicht die einzige sein.«
    Sie setzten sich auf die glattgeschliffenen Steine, hielten das Kanu fest und starrten den Fluß hinauf. Langsam spürte Minho, wie sich sein Körper erholte und seine Muskeln ihm wieder gehorchten.
    »Wir sind Idioten!« sagte er plötzlich.
    »Da widerspreche ich nicht, Senhor.«
    »Warum quälen wir uns den Fluß aufwärts?«
    »Es war Ihre Idee.«
    »Es wäre doch einfacher gewesen, ihn abwärts zu fahren und zu sehen, in welchen anderen, großen Fluß er mündet! Und dort wären wir bestimmt auf Siedlungen gestoßen und hätten weiterkommen können.«
    »Sie wollten unbedingt nach Santo Antônio. Und das liegt nun mal flußaufwärts.«
    Minho nickte. Der Nacken tat ihm weh vom Tragen des Kanus.
    »Wir sind doch wirklich Idioten! Sollen wir umkehren, Gilberto?«
    »Jetzt noch?« Gilberto schüttelte den Kopf und wischte sich mit beiden Händen den Schweiß vom Gesicht. »Wir haben vier Tage hinter uns, und dann zurück? Nein. Jetzt beißen wir uns durch. Senhor, wir tragen das Kanu an Land, und dann ist Schluß für heute. Für den Abend werde ich uns einen schönen Fisch fangen oder einen Braten schießen. Was hätten Sie gern?«
    »Mir ist alles egal, Gilberto.«
    Sie erhoben sich von den Steinen, stemmten auf ein Kommando von Gilberto das Kanu wieder auf ihre Schultern und schleppten es ans Ufer. Es war ein Grünstreifen mit Riesenfarnen, wilden Bananen und verfilzten Büschen.
    Gilberto hieb mit der Machete einen Rastplatz aus dem Dschungel, Minho sammelte Holz und schichtete es zu einem Haufen auf. Es war ein guter Platz – hinter ihnen der Regenwald, vor ihnen das Gurgeln und Schäumen der Stromschnelle. Gilberto holte sein Gewehr aus dem Kanu.
    »Ich habe Appetit auf Fleisch«, sagte er. »Vier Tage haben wir Fisch gegessen. Mal sehen, was ich vor die Büchse kriege.«
    Er lachte, schwang die Machete und schlug sich einen schmalen Pfad durch die Farne und Büsche. Minho legte sich auf den Rücken, schloß die Augen und dachte an Sofia Lobos.
    Sie wird weinen, dachte er, und ihr Weinen und Flehen, ihn zu suchen, wird ihrem Vater, dem mächtigen Paulo Lobos, verraten, wie es zwischen Sofia und Marco Minho steht. Wie hat er reagiert? Die wohlbehütete Tochter als heimliche Geliebte eines schlecht bezahlten Zoologen? Eines Mannes auch noch, der den Regenwald mit seinen Hunderttausenden noch nicht erforschter Tiere erhalten und retten will vor den Spekulanten und Großgrundbesitzern, zu denen auch Lobos gehörte.
    Wie wundervoll waren die wenigen Stunden gewesen, die sie sich stehlen mußten, um sich zu lieben. Die Ausreden, die Suche nach Möglichkeiten, die Angst, entdeckt oder von Bekannten gesehen zu werden, hatten diese wenigen Stunden zu einem Abenteuer gemacht. Das Herz wurde ihm schwer, wenn er daran dachte. Wie oft hatten sie miteinander telefoniert, und immer waren es die gleichen Worte, die gleichen Beteuerungen, die gleichen, drängenden Fragen: Ich liebe dich … ich liebe dich wahnsinnig … ich kann ohne dich nicht mehr sein … ich brauche dich … Wann sehen wir uns? Wann kommst du zu mir? Ich möchte dich spüren, deine Lippen, deine Hände. Ich möchte jetzt bei dir sein, in deinen Armen liegen und dich an mich ziehen, ganz fest. Wann wird das sein, wann wird das wieder sein? Ich halte es nicht mehr aus. Wann? – Ich weiß es nicht, wir beide wissen es nicht.
    Und dann, wenn es ihr gelang, sich

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