Das Regenwaldkomplott
sich Ihren Braten an –«
»Er wird fabelhaft knusprig werden. Ein gutes Fleisch. Kein Fett dran. Das knackt zwischen den Zähnen.«
»Hören Sie auf!« schrie Minho plötzlich. »Hören Sie doch auf! Ich muß kotzen!«
»Sie haben noch nie einen Affen gegessen?«
»Und ich werde auch nie einen essen!«
»Es schmeckt wie zartes Kalbfleisch. Nur einen Hauch süßlich –«
»Aufhören!«
»Es ist mein zweiter Affe. Den ersten mußte ich essen als Ehrengast bei einem Indianerstamm. Das waren mal Kannibalen. Aber nachdem man ihnen das verboten hat, wichen sie auf Affen aus.«
Minho sprang vom Feuer auf, ging ein paar Schritte seitwärts und preßte beide Hände vor den Mund. Verständnislos blickte ihm Gilberto nach. Und der Junge sagt, er könne was aushalten, dachte er. Da sieht man mal wieder, wie weich diese Gelehrten sind.
Es hatte keinen Sinn, davonzulaufen oder sich im Ekel zu wälzen. Morgen und übermorgen und wieviel Tage noch verlangte der Fluß ihre ganze Kraft. Ein Hungernder setzt keine Energien mehr frei, und seine Kraftreserven sind erschöpft.
Minho, der sich abseits vom Feuer auf die Erde gesetzt hatte, blickte hoch, als Gilberto plötzlich vor ihm stand. In der Hand, auf einen Ast aufgespießt, hatte er ein knusprig gebratenes Stück Fleisch mitgebracht. Mit zusammengebissenen Zähnen schüttelte Minho den Kopf. Er konnte keinen Ton sagen, seine Kehle war wie zugeschnürt.
»Es schmeckt gut«, sagte Gilberto und hielt Minho das Stück Fleisch unter die Nase. Der Geruch des Bratens reizte seine Geschmacksnerven, von seinem Magen stieg ein unbändiges Hungergefühl auf. »Himmel noch mal, Senhor. Sie essen doch auch ein Spanferkel. Fleisch ist Fleisch!«
Er ergriff Minhos Hand, schob ihm den Spieß zwischen die Finger und ging zurück zum Feuer.
Es war, als ließe der Hunger seinen Magen aufschreien. Wirf es weg, schrie es in ihm, oder beiße hinein und fresse es! Fleisch ist Fleisch, nur das zählt!
Marco kniff die Augen zusammen, holte tief Luft, schlug seine Zähne in den Braten und riß ein Stück von ihm ab. Jetzt kotze ich, dachte er. Jetzt, jetzt kotze ich. Aber er tat es nicht. Er begann zu kauen, es schmeckte ihm sogar, und das Hinunterschlucken war kein qualvolles Würgen. Das Fleisch blieb ihm keineswegs in der Kehle stecken und erstickte ihn auch nicht. Als er fühlte, wie das Stück seine Speiseröhre hinunterglitt, biß er erneut zu, diesesmal herzhaft, ohne Hemmungen, ohne Gedanken als nur den einen: Ich habe Hunger, ich werde satt, jetzt werde ich satt. Und er aß und aß, zwar noch mit geschlossenen Augen, aber er spürte, wie gut ihm das tat. Und das war das wichtigste.
Noch zwei Tage kämpften sie gegen den Fluß, überwanden zwei Katarakte, schnitten sich jeden Abend von dem mitgenommenen Affenfleisch ein Stück ab und tranken von dem klaren Flußwasser. Als sie am sechsten Tag in der Ferne eine Rauchwolke sahen, stießen sie jubelnd mit den Paddeln in die Luft.
»Menschen!« schrie Gilberto. »Menschen! Wir haben es geschafft! Senhor, das sind keine Indianer! Das ist Rauch von einer Brandrodung! Die Zivilisation hat uns wieder!«
Sie paddelten wie verrückt, trieben das Kanu über den Fluß und erreichten ein flaches, gerodetes Ufer, auf dem einige Hütten standen, dahinter Bagger, Raupen und Lastwagen mit riesigen Rädern. Eine Straße war in den Regenwald gewalzt worden, und selbst die großen Wagen fehlten nicht, vor denen jetzt Mädchen in knappen Bikinis standen. Eine Gruppe Männer, die meisten mit entblößten, braungebrannten Oberkörpern, stand am Ufer und winkte ihnen mit beiden Armen zu.
»Es ist alles da«, sagte Gilberto und legte sein Paddel quer vor sich über das Kanu. »Sogar die fahrbaren Puffs. Was will man mehr im Urwald?«
So erreichten sie das Holzfällerlager, das keinen Namen hatte. Es nannte sich einfach C 15.
Ein Lager der Regenwaldvernichter.
C 15. Es gehörte zum Holzimperium des Paulo Lobos.
* * *
Coronel Bilac blieb noch zwei Tage auf der Missionsstation Santo Antônio.
Zwei Tage, die zu einer Qual wurden. Die Yanomami zu jagen hatte er vorläufig aufgegeben.
Das Indianerdorf – die Malocas um den großen Platz, den Shabono – war völlig vernichtet. Die Flammen hatten alles in Asche oder verkohlte Holzstangen verwandelt, und selbst was noch als Gerippe einer Hütte erkenntlich war, war von den Polizisten eingerissen und in neue Feuerstellen geworfen worden. »Nichts bleibt übrig!« hatte Bilac befohlen. »Nichts! Ich will
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