Das Regenwaldkomplott
wegzuschleichen, wenn sie in sein Haus schlüpfte, fielen sie sich in die Arme und hielten sich umschlungen bis in den Morgen. Welche Qual, sich wieder zu trennen, ungewiß, wann sie sich wiedersahen. Und nun war er verschollen, über dem Dschungel abgestürzt.
Ein peitschender Schuß weckte Minho aus seinen Gedanken und Erinnerungen. Gilberto schien ihren Braten entdeckt zu haben. Der Schuß schreckte eine Wolke von Vögeln auf, die über den Fluß flatterte, und das warnende Gekreisch der Affen füllte den ganzen Wald.
Minho steckte den Holzhaufen an, blies in die aufzüngelnden Flammen und wedelte mit einem großen Palmblatt. Das trockene Holz knisterte, und ein paar feuchte Zweige zischten wie eine angreifende Schlange.
Sofia, dachte Minho noch einmal und starrte in das Feuer. Du wirst weinen, und dein Vater wird frohlocken, mich auf so einfache Weise losgeworden zu sein. Aber ich komme wieder, mein Liebling, ich bin nicht tot. Und wenn noch zwanzig Stromschnellen kommen und ich auf allen vieren vorwärts kriechen muß. Ich schaffe es, Sofia, wir sehen uns wieder. Ich habe eine ungeheure Kraft, wenn ich an dich denke!
Pfeifend kam Gilberto aus dem Wald zurück. Er hatte das Gewehr umgehängt und schwenkte in der Hand einen Körper. Erst als er näher kam, erkannte Minho, daß es ein mittelgroßer Affe war, mit einem braunen, zotteligen Fell und einer schwarzen Gesichtsmaske. Als habe er einen elektrischen Schlag bekommen, sprang Minho auf.
»Gilberto!« rief er. »Mein Gott, was haben Sie getan?! Sie haben das Tier erschossen!«
»Freiwillig wäre es nicht in die Pfanne gehüpft.« Gilberto schwenkte den toten Affen durch die Luft. »Ein Prachtkerl!«
»Wissen Sie, wie er heißt?«
»Er hat sich nicht vorgestellt.«
»Er hat keinen Namen.« Minho holte tief Luft. »Es ist eine bis heute unbekannte Affenart! Sie haben ein noch nie gesehenes Tier geschossen.«
»Mit Pfeffer eingerieben, schmeckt er trotzdem.«
Gilberto war am Feuer und warf Minho den Affen vor die Füße. Der bückte sich und drehte das Tier auf den Rücken. Ein fast menschliches Gesicht starrte ihn an. In den leblosen Augen lag Staunen und fast so etwas wie eine Frage.
Minho biß die Zähne zusammen.
»Nun weinen Sie nicht gleich«, knurrte Gilberto. »Das ist Dschungelgesetz: Fressen und gefressen werden. Es ist ja noch Zeit bis zum Abendessen. Sie können Ihr unbekanntes Äffchen noch genau untersuchen.«
Minho nickte. Er ließ sich neben dem Affen auf die Erde nieder, zog dem Tier die Lippen von den Zähnen und betrachtete das Gebiß. Es war kräftig ausgebildet, mit spitzen Reißzähnen.
»Das Fell nehmen wir mit«, sagte er mit einem Blick zu Gilberto.
»Wissen Sie, wie lange wir noch unterwegs sind?«
»Nein.«
»Es wird verdammt stinken. Wir können es doch nicht gerben. Höchstens in der Sonne trocknen und mit zerstampften Pfefferkörnern einreiben. Trotzdem wird es stinken.«
»Ich muß das Fell mitnehmen als Beweis. Ich habe doch nichts zum Zeichnen da und keine Kamera. Haben Sie noch mehr solche Affen gesehen?«
»Nein. Nur ihn. Aber als er vom Baum purzelte, war überall ein wüstes Geschrei. Er war sicherlich nicht allein.«
Am Abend war alle Arbeit getan. Der unbekannte Affe war aus dem Fell geschält, Minho hatte ihn vermessen: die Größe der Füße und Hände, die Länge des Rumpfes und der Beine, den Umfang des Kopfes und der Brust, die Dicke der Schenkel und Unterschenkel, die Schulterbreite und die Rückenbreite. Das Ausweiden des Körpers übernahm dann Gilberto. Er rieb ihn mit zerstoßenem Pfeffer ein und spießte ihn auf einen harten, frischen Ast. An einem Gestell aus Astgabeln hing dann der Braten über dem glimmenden Feuer.
Einen im Ganzen bratenden Affen anzusehen verlangt gute Nerven. Es sieht aus, als brate man einen Säugling. Die Füße, die Beine, die Arme, die Hände, der Leib, ja selbst der vom Fell befreite, nackte Kopf sahen genauso aus wie ein neugeborenes Kind.
Minho mußte mehrmals schlucken und wandte sich ab.
Davon esse ich nichts, würgte es in ihm. Keinen Bissen bekomme ich hinunter. Mir steigt jetzt schon die Übelkeit hoch. Ich werde mich erbrechen, wenn Gilberto sich ein Stück aus diesem gebratenen Körper schneidet. Lieber hungere ich oder esse rohen Fisch, ehe ich davon ein Stückchen in den Mund nehme. Gilberto, wie können Sie so ruhig dasitzen und den Braten über dem Feuer drehen?! Warum kotzen Sie nicht?!
»Was haben Sie, Senhor?« fragte Gilberto arglos.
»Sehen Sie
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