Das Regenwaldkomplott
Produktion von Carajás. Es wurde investiert, um die Ausbeute, den Raubbau am Regenwald, zu finanzieren: Millionen Dollar fanden den Weg von Deutschland, der Europäischen Gemeinschaft, von Japan und der Weltbank nach Grande Carajás. Die USA pumpten ihre Dollars zur Gewinnung von Mangan ein. Die Sowjetunion investierte in Kupfer: Carajás wurde der Tummelplatz von Käufern aus aller Welt.
Brasilien, im Augenblick noch mit 150 Milliarden Auslandsschulden belastet, in einem knappen Menschenalter das reichste Land der Erde?!
Etwa mit diesen Fakten und Zahlen jonglierte Bilac an jenem Abend in der Missionsstation Santo Antônio. Seine Zuhörer schwiegen und sahen Thomas Binder an, an den der Coronel seine Worte gerichtet hatte.
»Jedes Ding hat zwei Seiten«, sagte Bilac zum Abschluß. »Und mit diesen beiden verschiedenen Seiten müssen wir leben.«
Thomas war es müde, auf den prahlerischen Monolog des Coronel einzugehen. Er dachte an Luise, die gerade draußen im Regenwald ein paar seiner Geheimnisse für die Menschen erhalten wollte.
»Es werden Abertausende von noch unbekannten Tieren und Pflanzen vernichtet«, antwortete er dann langsam, noch in Gedanken. »Pflanzen, aus denen man vielleicht Stoffe gewinnt, die der Menschheit nützen, die Krankheiten heilen können wie Krebs, Hämophilie, Multiple Sklerose oder Aids. Wissen Sie das? Fast zweitausend Pflanzenarten kennen wir schon, die medizinisch und therapeutisch verwendet werden.«
»Damit es noch mehr Menschen gibt und Milliarden länger leben.« Bilac lachte spöttisch auf. »Wir platzen ja jetzt schon aus allen Nähten. Im Jahre 2000 soll es über 5 Milliarden Menschen geben. Aber die Erde wird nicht größer, sondern im Gegenteil kleiner. Wer soll diese Menschenmassen ernähren? Im Regenwald können Tausende Geheimnisse verborgen sein. Na, wenn schon! Er ist nutzlos, wenn man ihn nicht erschließt. Lieber tausend Insekten und Pflanzen, die doch keiner kennt, vernichten, als jedes Jahr Millionen Hungertote rund um die Welt. Das muß besiegt werden. Sie sind doch Arzt. Was ist Ihnen denn mehr wert: Ein Hektar Regenwald oder ein Menschenleben?«
Thomas schüttelte den Kopf. Er erkannte sofort, wohin Bilac die Diskussion drängen wollte. In diese Falle wollte er nicht gehen.
»Sie stellen die Frage falsch«, antwortete er. »Und Sie wissen das.«
»Ach nein! Wie sollte sie denn lauten?«
»Wer hat von der Vernichtung des Regenwaldes den größten Nutzen? Die Antwort kennen Sie genau. Nicht die Hungernden in Afrika und Asien, denn die können weder Baumstämme noch Eisenerz essen und haben keinerlei Anteil an dem Wachstum der Industrie in Europa, Japan und den USA. Die einzigen, die durch den Tod des Regenwaldes immer reicher werden, sind die Großgrundbesitzer, die Konzerne, die Spekulanten und die internationale Industrie-Clique. Die Milliarden fließen in wenige Taschen. Die Rodung des Waldes nutzt der Menschheit gar nichts, im Gegenteil: Sie wird die Menschheit eines Tages durch eine Klimakatastrophe undenkbaren Ausmaßes zerstören. Mit dem Ozonloch über der Antarktis fängt es an.«
»Ihr dämliches Ozonloch!« erwiderte Bilac grob und beleidigend. »Ein Loch im Hirn haben Sie! Wie – frage ich Sie – würde Ihre Regierung in Bonn handeln, wenn man bei Ihnen Öl entdeckt. Erdöl, so viel, daß Deutschland über hundert Jahre unabhängig wäre von allen anderen Erdöl-Ländern? Was würde Ihre Regierung tun, na? Wird sie die Wälder stehenlassen und weiterhin für Milliarden DM Öl importieren? Wer wird dann noch von Umweltschutz reden? Wer von CO 2 -Wolken? Wer von gestörter Ökologie? Brasilien ist das große Land der Zukunft, und wir werden jeden bekämpfen, der uns an dieser Zukunft hindern will. Verstehen Sie das jetzt, Dr. Binder?«
»Ich nehme an, wir würden andere Energiequellen erschließen.«
»Da kennen Sie aber Ihre Bosse schlecht.« Bilac zerdrückte seine abgerauchte Zigarre in einem von den Yanomami hergestellten irdenen Aschenbecher. »Sie sind ein Feind Brasiliens! Wissen Sie das?«
»Ich bin Arzt und mit der Aufgabe hierhergekommen, Kranken zu helfen. Allen Kranken! Und wenn ich einen Völkermord im kleinen verhindern kann, dann tue ich das! Auch wenn es Ihnen und Ihren Hintermännern nicht gefällt.«
»Ist das eine Kampfansage?« fauchte Bilac und beugte sich vor.
Beja war plötzlich blaß geworden. Er ist verrückt, dachte er, innerlich zitternd, und doch bewunderte er den Mut des Arztes. Wie hilfesuchend sah er
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