Das Regenwaldkomplott
heroische Leiche?«
»Ich esse ja auch mit.« Sie hatte gelacht, aber für Thomas klang es nicht überzeugend. »Wenn, dann kippen wir beide vom Stuhl. Labormäßig ist er sauber.«
»Ein Glaskolben ist kein verdauender Magen. Ein Magen ist eine sehr komplizierte und empfindliche Konstruktion der Natur. Er läßt sich selten betrügen.«
»Du wirst sehen, es schmeckt fabelhaft. Ich habe es schon probiert. Und ich lebe – und wie ich lebe.« Sie gab ihm einen langen Kuß. »Das wirst du nachher als Nachtisch bekommen.«
»Na warte!« Thomas zog Luises Kopf zu sich hinunter. »Können wir nicht die Reihenfolge ändern? Erst der Nachtisch?«
»Ausgeschlossen. Wenn du meinen Pfannkuchen mit Parima-Pilzen überlebst, ist das deine Belohnung.«
Sie hatten das Pilzessen überlebt und einen Tag später auch die Patres und alle anderen Missionsmitglieder überzeugt. Mit sichtlichem Erstaunen, ja Unverständnis, begannen darauf einige Yanomami die ›Parima-Pilze‹, wie Luise sie getauft hatte, zu sammeln und körbeweise an der Mission abzugeben. Auf Bananenblättern ließ Luise die Pilze in der Sonne trocknen, bis sie zusammengeschrumpelt waren. Auch das war noch ein Experiment. Veränderte sich der Pilz beim Trocknen, entwickelte er etwa dabei ein Gift? In vielen Versuchen wies Luise nach, daß sich der Parima-Pilz nicht anders verhielt als getrocknete Steinpilze, Butterpilze, Champignons oder Pfifferlinge. Nur viel schmackhafter und würziger war er. Er schmeckte nicht schlaff oder mußte erst mit Gewürzen oder anderen Zutaten verfeinert werden. Der Parima-Pilz behielt sein Aroma, das an gemahlene Paranüsse erinnerte.
Auch hier mußte Thomas als erster, zusammen mit Luise, ein Gericht mit den getrockneten Pilzen essen. Er tat es mit großer Tapferkeit und sagte nach dem Abendessen:
»Das also ist aus mir geworden: ein Probeesser. Einmal wird es dir gelingen, mich umzubringen.«
In dieser Nacht, nach dem Pilzgericht, schliefen sie kaum drei Stunden. Immer wieder erinnerte ihn Luise daran, wie lebendig sie war. Sie liebten sich bis zur Erschöpfung.
»Das ist es«, sagte Thomas gegen Morgen, als sie sich endlich voneinander gelöst hatten. »Das wird ein Verkaufsschlager werden, an den du noch gar nicht gedacht hast: getrocknete Parima-Pilze, das Potenzmittel für Mann und Frau.«
»So siehst du das?« Sie lächelte mit glitzernden Augen. »Das mußt du erst wissenschaftlich beweisen.«
Der Parima-Pilz bewährte sich tatsächlich.
Heute nun, nach der köstlichen Lasagne und einem Mixgetränk aus Fruchtsaft und Gin, sagte Luise zu Marco Minho:
»Bis Sie ihre neue Ausrüstung haben, biete ich Ihnen mein Labor an. Ich habe zwei Mikroskope und bin für die hiesigen Verhältnisse ganz gut eingerichtet.«
»Das ist ja fabelhaft.« Minho küßte Luise galant die Hand. »Dona Luisa, wie kann ich Ihnen dafür danken?«
»Indem wir der Welt noch viele unbekannte Pflanzen- und Tierarten schenken, bevor man sie für immer vernichtet hat. Was halten Sie davon, wenn wir gemeinsam durch den Regenwald ziehen? Ich sammle Pflanzen und mikrobiologische Organismen, und Sie fangen Tiere.«
»Einverstanden!« Minho wandte sich an die beiden italienischen Handwerker der Mission. »Was ich brauche, sind Kisten und Käfige aller Größen, eine Voliere und einen eingezäunten künstlichen Sumpf.«
»Gar kein Problem.« Pater Ernesto verzog spöttisch die Lippen. »Ist das alles, Senhor Minho?«
»Für den Anfang – ja.«
»Das beruhigt mich ungemein.«
Sie saßen bis nach Mitternacht zusammen, rauchten und tranken, und erst als Luise und Thomas aufbrachen, um zurück zum Hospital zu gehen, fiel ihnen ein, daß sie Benjamim Bento ganz vergessen hatten. Sein schweres Motorrad, das an der Mauer gelehnt hatte, war weg. Dabei hatte er doch darum gebeten, diese Nacht im Hospital bleiben zu dürfen.
»Verdammt!« sagte Thomas betroffen. »Daß ich das vergessen konnte!«
Er stieß die Tür von Leonors Krankenzimmer auf. Das Mädchen schlief fest. Im Nebenzimmer, wo Helena gewohnt hatte, waren die Betten unberührt. Bento und Helena waren nicht mehr im Hospital. Sie waren ohne Abschied heimlich nach Novo Lapuna zurückgekehrt.
* * *
Im Hause von Paulo Lobos herrschte wieder Frieden, wenigstens nach außen hin. Dona Joana hatte mit ihrem Mann eine Aussprache gehabt, die Lobos seltsamerweise nicht sonderlich erregte. Sie begann nach dem Abendessen, als sie sich wie üblich in den Salon zurückgezogen hatten, um Privates zu
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