Das Regenwaldkomplott
Gebiet. Man soll sich keine Arbeit suchen, wenn man auch ohne sie gut auskommen kann.
In der Mission wurden Minho und Gilberto von Pater Vincence und Pater Ernesto empfangen. Schwester Lucia hatte vorsorglich sofort Kaffee gekocht und einen selbstgebackenen Apfelkuchen angeschnitten. Gilberto machte sich gleich darüber her und verschlang in Rekordzeit vier Stück.
»Das schmeckt«, lobte er dröhnend. »Zivilisation ist doch was Schönes.«
»Was Sie da erzählen, Senhor Minho, hört sich fast unglaublich an«, stellte Pater Vincence fest. »Sie sind auf einer Baumkrone gelandet?! Senhor Quadros, wie sind Sie auf die Idee gekommen?«
»Mir blieb keine andere Wahl, Pater.« Gilberto schlürfte laut den heißen Kaffee. »So einfach abstürzen und ein Engelchen werden, wollte ich nicht. Versuch es, habe ich mir gedacht, mehr als schiefgehen kann es nicht. Wie Sie sehen, wir haben's überlebt. Und die Indianer, die noch nie einen Weißen gesehen hatten, auch. Und Senhor Minho hat sogar noch unbekannte Tiere entdeckt.«
»Im Regenwald leben noch Tausende unbekannter Tierarten. Sie haben ein unerschöpfliches Forschungsfeld vor sich, Senhor Minho. Da können Sie sich mit Senhora Herrmann die Hand reichen.«
»Was?« Minho lehnte sich erstaunt zurück. »Eine Forscherin ist schon hier?«
»Eine Biologin und Botanikerin. Sie hat erst vorige Woche zwei unbekannte Heilpflanzen entdeckt, die die gleiche Wirkung haben wie die entsprechenden chemischen Präparate, aber ohne Nebenwirkungen.« Pater Vincence nickte Minho freundlich zu. »Wir sind froh, daß Sie gerade zu uns gekommen sind. In zwei Jahren, schätze ich, gibt es hier nur noch verbranntes Land, durchzogen von Gold- und Erzminen.«
»Ich habe einen Regierungsauftrag, Pater.«
»Darum kümmert sich hier niemand. Hier gilt das Wort der Reichen. Brasilia ist so fern wie der Mond. Hier regieren Männer wie Assis und Lobos.«
»Lobos?« Minho zuckte unwillkürlich zusammen. »Paulo Lobos?«
»Sie kennen ihn?«
»Ich war zu einer Party in seiner Villa eingeladen.«
»Sieh an, die Mausefalle ist also schon aufgestellt.« Pater Ernesto nahm noch ein Stück vom Apfelkuchen. »Sie waren angekündigt, man hat sie gemustert, man wird Sie nicht aus den Augen lassen. Und man wird Sie kaltstellen, wenn Sie aufsässig werden. Das geht sehr schnell und ohne Aufsehen. Wozu haben sie die Pistoleiros? Solche Kleinigkeiten enden auf dem Schreibtisch von Miguel Bilac, dem Polizeichef von Boa Vista.«
»Den habe ich auch auf der Party von Paulo Lobos gesehen. Und auch Senhor Assis. Ich habe Assis frei gesagt, was ich denke.«
»Haben Sie?« Pater Ernesto stäubte die Kuchenkrümel von seiner Soutane. »Dann leben Sie ab sofort sehr gefährlich.«
»Ich werde auf mich aufpassen, Pater.«
Sofia, dachte er dabei. Lobos' Tochter. Spielte sie in diesem Komplott mit? War sie als eine Art Lockvogel auf mich angesetzt worden? Nein, nein, sie liebt mich wirklich, so, wie ich sie liebe, über alles liebe. Es kann kein Spiel gewesen sein.
Und ihr Vater, dieser Paulo Lobos, vernichtet den Regenwald am Rio Parima.
Weiß sie das?
Wenn ich sie wiedersehe, werde ich sie fragen.
Wiedersehen – wann wird das sein? Wann komme ich nach Boa Vista zurück? Vielleicht schon übermorgen oder erst in ein paar Monaten? Ich habe meine gesamte Ausrüstung bei dem Absturz verloren, ich muß eine neue besorgen, und das bedeutet: Anträge über Anträge, Kampf mit der Trägheit der Behörden, ein Herumlaufen von Amt zu Amt und immer wieder begründen, warum man dies und jenes braucht. Es kann Wochen dauern, bis die neue Ausrüstung bewilligt ist. Nutzlose Wochen, in denen sich die Motorsägen weiter und unaufhaltsam durch den Regenwald fressen und die Rauchwolken des brennenden Waldes kilometerhoch in den Himmel treiben.
»Woran denken Sie jetzt?« fragte Pater Vincence. Ihm fiel die plötzliche Schweigsamkeit Minhos auf. »Erschreckt Sie der Gedanke, auf der Liste der Unbequemen zu stehen?«
»Nein. Ich dachte an ein paar glückliche Tage in Boa Vista.«
»Gibt es die dort?« fragte Ernesto zynisch.
»Ich habe sie erlebt.«
»Wenn ein junger Mann wie Sie so etwas sagt, dann handelt es sich um eine Frau.«
»Ja.«
»Um so schwerer wird Ihnen hier die Arbeit fallen. Oder war es nur ein Abenteuer?«
»Nein. Ich liebe dieses Mädchen.« Minho lächelte Pater Ernesto traurig an. »Aber soeben ist mir die Erkenntnis gekommen, daß es ein unerfüllbarer Wunsch ist.«
»Wieso soeben?«
»Das
Weitere Kostenlose Bücher