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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durchgedreht und zu fest zugegriffen hatte … irgendwie war das für sie verständlich. Es war also kein Mord, es war Totschlag im Affekt, und jeder hier im Saal hätte vielleicht auch so reagiert. Nichts ist schlimmer in dieser Einsamkeit des Regenwaldes, als von einer Hure beklaut zu werden.
    Die Gerichtsverhandlung dauerte zwei Stunden, dann war das Urteil klar, ein Urteil nach dem Gesetz des Urwaldes. Der Sprecher der Geschworenen erhob sich und sagte feierlich:
    »Unser Urteil ist einstimmig: Nicht schuldig.«
    Ein paar klatschten in die Hände, die anderen verließen stumm den Saal. Dantas wandte sich an Gilberto:
    »Du bist frei«, sagte er. »Aber du mußt bis morgen abend aus dem Camp verschwunden sein, sonst hänge ich dich persönlich auf! Ist das klar?«
    Gilberto nickte und blieb sitzen, bis alle den Saal verlassen hatten.
    Auch Minho erhob sich erst von der Sitzbank, als er und Gilberto allein waren. Er kam nach vorn und sah Gilberto fragend an.
    »Was ist? Du bist frei! Du freust dich gar nicht?«
    »Ich habe einen Menschen ermordet. Auch wenn sie mich freisprechen! Ich hab's getan.«
    »Es war im Affekt, Gilberto. Du hast nicht mehr gewußt, was du tust.«
    »O doch, ich habe es gewußt. Ich habe doch ihre Augen gesehen. Ich habe gesehen, wie der Tod in ihre Augen kam. In diese schönen Augen. Sie war ein Mensch, Senhor, anders als damals die Indianer.«
    Minho hob erschrocken den Kopf. »Wieso Indianer? Sind Indianer keine Menschen?«
    »Wie man's nimmt. Ich hatte damals ein Stück Wald gerodet, Mais und Gemüsefelder angelegt und ein Haus gebaut. Und ich lebte mit einer Frau zusammen. Rosanna hieß sie. Aber dauernd im Haus zu hocken, das war nicht meine Art. Ich war Pilot beim Militär gewesen, eine verdammt gute Ausbildung hatten wir, amerikanische Ausbilder und sogar zwei deutsche Piloten, da habe ich mir gedacht: Mach dich selbständig. Ohne Flieger bist du in diesem Land wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die Banco do Brasil gab mir einen Kredit, ich kaufte eine gebrauchte Maschine, noch gut in Schuß, und flog Geologen und Abenteurer in noch unbekannte Regenwaldgebiete. Ich habe gut verdient und Rosanna von jedem Flug ein Geschenk mitgebracht. Ein Seidenkleid, Schuhe, Goldkettchen, einen Ring mit einem Rubin und emaillierte Töpfe, in denen nichts mehr anbrannte. Ja, und da komme ich eines Tages von einem Flug zurück, und mein Haus ist niedergebrannt, und Rosanna lag mit einem Pfeil im Herzen neben den verkohlten Trümmern. Indianer. Dabei habe ich ihnen nichts weggenommen, es war ›leeres Land‹, von der Regierung ausgewiesen für Siedler. Da bin ich in den Wald gezogen und habe jeden Indio, den ich traf, erschossen. Elf Stück – es waren für mich keine Menschen mehr!« Gilberto wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Aber jetzt, jetzt habe ich einen Menschen getötet. Und auch noch eine schöne Frau. Das Gericht kann mich zwar freisprechen, aber ich bin ein Mörder!«
    Minho schwieg. Es hatte keinen Sinn, jetzt mit Gilberto darüber zu sprechen, daß auch Indianer Menschen sind. So wie er dachten viele in diesem Land, gerade im Gebiet des Amazonas.
    »Steh auf und komm mit«, sagte Minho hart. »Morgen bringt uns ein Flugzeug nach Santo Antônio. Von dort wird man dich mitnehmen zurück nach Boa Vista.«
    Gilberto nickte stumm, erhob sich von seinem Stuhl und trottete hinter Minho her. Als sie zu ihrer Baracke gingen, beachtete sie niemand. Der Fall war erledigt, der Alltag nahm wieder seinen Lauf: Die Rekordarbeit des Bäumefällens. Vierhundert Motorsägen fraßen sich in den Regenwald und mähten Baumriesen von fünfzig, sechzig Meter Höhe um.
    Nun also waren Minho und Gilberto Quadros in Santo Antônio gelandet, der Pilot der kleinen Maschine unterschrieb im Polizeiquartier, daß er – mit genauer Uhrzeit – sofort wieder zurückfliegen würde, er bekam Starterlaubnis und stieg auf, ohne sich von Minho und Gilberto zu verabschieden. Keine Auskunft, hatte Dantas dem Piloten eingeschärft. Abladen und wieder weg! Und auch dem Tenente Ribateio kam erst, als das kleine Flugzeug im blauen Himmel verschwunden war, der Gedanke, daß er gar nicht gefragt hatte, woher es gekommen war.
    Was Minho und Gilberto von einem Lager C 15 erzählten, war nicht zu verwerten. Wo dieses Holzfällerlager lag, konnten sie nicht beschreiben; es war auf keiner amtlichen Karte verzeichnet. Am Ufer des unteren Rio Parima – damit ließ sich gar nichts anfangen. Außerdem war es nicht Ribateios

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